Zinssitzung

Lagarde fordert Einigung von EU-Regierungschefs

EZB-Chefin Christine Lagarde.
EZB-Chefin Christine Lagarde.(c) REUTERS (Kai Pfaffenbach)
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Geldpolitisch legte die Europäische Zentralbank vorerst eine Verschnaufpause ein. Doch appellierte EZB-Chefin Lagarde an die europäische Elite, sich „rasch“ auf ein ehrgeiziges Wiederaufbauprogramm zu verständigen.

Frankfurt/Wien. Von Normalität kann bei der Europäischen Zentralbank keine Rede sein. Aber nach langer Abstinenz nahm Vorsitzende Christine Lagarde immerhin wieder neben ihrem Vize, Luis de Guindos, Platz. Das Coronavirus war bei der Zinssitzung am Donnerstag dennoch bestimmendes Thema, auch wenn es geldpolitisch diesmal zu einer Verschnaufpause kam. Nichts anderes war im Vorfeld allerdings erwartet worden.

Lagarde bekräftigte einmal mehr, das Notfall-Anleihekaufprogramm namens PEPP mit einem Volumen von 1,35 Billionen Euro zumindest bis Ende Juni 2021 weiterlaufen zu lassen. Falls es zu keinen bedeutenden positiven Überraschungen komme, werde die EZB das gesamte Volumen ausschöpfen. Zuletzt hatte man die Käufe etwas verlangsamt, da sich die Märkte stabilisierten.

Doch machte die Notenbankchefin auch klar, dass man notfalls bereit sei, seine Instrumente anzupassen. Erst kürzlich sagte der französische Notenbankgouverneur, dass die EZB so innovativ sein werde wie notwendig. In den USA wird unter den Notenbankern beispielsweise die Kontrolle der Zinskurve (mittels Renditeobergrenze, die durch Anleihenkäufe verteidigt wird) diskutiert, in Japan und Australien praktiziert man diese Maßnahme bereits.

Doch war das im Rahmen der EZB-Pressekonferenz kein Thema. Vielmehr ging es um die Lage der europäischen Wirtschaft und darum, welchen Beitrag die EU künftig leisten könne. Demnach rechnet Lagarde mit einem Anziehen der Konjunktur im Sommer. Schon im Mai und Juni ist es zu mehr wirtschaftlicher Aktivität gekommen. Bei den Verbrauchern und auch in der Industrie sind Anzeichen einer Erholung erkennbar. Doch belasten die Arbeitsmarktbedingungen und auch das Angstsparen der Haushalte. Die Rückkehr zur Normalität steckt noch in einem frühen Stadium und ist uneinheitlich, so die EZB. Mehrere Währungshüter hatten zuletzt die Erwartung geäußert, dass die Talsohle durchschritten sei.

Lagarde appellierte eindringlich an die Staats- und Regierungschefs der EU, sich auf ein umfassendes Corona-Wiederaufbauprogramm zu verständigen. Es seien kraftvolle Anstrengungen nötig, um die Konjunkturerholung zu begleiten. „Es ist wichtig, dass sich die Staats- und Regierungschefs rasch auf ein ehrgeiziges Programm einigen.“

Die Spitzenvertreter der 27 EU-Staaten wollen auf ihrem am Freitag beginnenden Gipfel versuchen, ein Abkommen über den Finanzrahmen bis 2027 und den Wiederaufbaufonds zu finden. Für den Fonds hat die EU-Kommission 750 Mrd. Euro vorgeschlagen, 500 Mrd. Euro davon als Zuschüsse und 250 Mrd. Euro als Kredite. Vor allem die Zuschüsse sind umstritten. Zuletzt nahmen die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark eine harte Haltung ein. (ag./nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2020)

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