Kolumne zum Tag

Einsam im Vatikan

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Einen Film über Einsamkeit im Vatikan anzusiedeln, ist ein mutiges Unterfangen. Vor allem dann, wenn die beiden Hauptdarsteller Päpste sind.

Es gibt da diese Szene in dem Netflix-Film „Die zwei Päpste“ von Regisseur Fernando Meirelles. Papst Benedikt XVI. (Anthony Hopkins) erklärt dem späteren Papst Franziskus (Jonathan Pryce) zum wiederholten Mal, warum er zurücktreten will und sich ihn als seinen Nachfolger wünscht. Franziskus, zu diesem Zeitpunkt noch Kardinal, ist fassungslos. Zeigt keinerlei Verständnis dafür. Und hat auch nicht die geringsten Ambitionen, selbst Papst zu werden. Benedikt merkt, dass er ihn auf einer anderen, emotionalen Ebene erreichen muss. Und sagt sinngemäß: Mein ganzes Leben lang war ich allein, bin aber irgendwie zurechtgekommen. Jetzt als Papst bin ich zum ersten Mal einsam.

Wie reagiert man auf so etwas? Wer sollte sich mit Einsamkeit abfinden müssen? Wer würde ein solches Opfer von jemandem verlangen? Franziskus jedenfalls nicht. Bei ihm macht es „Klick“ und er lässt es gut sein. Er ermuntert Benedikt sogar noch, seine Entscheidung durchzuziehen. Auf seine eigene, unwiderstehliche Art, die jeder selbst sehen sollte.

Einsamkeit – sie kann junge und alte Menschen treffen, reiche und arme, gesunde und kranke. Ob Franziskus mittlerweile auch einsam ist? Kaum vorstellbar. Er kommt mit jedem ins Gespräch. Hat keine Berührungsängste. Scherzt sogar mit seinem Bewacher. Und bittet ihn, ihm einen Flug zu buchen, weil er das WLAN im Vatikan noch nicht geknackt hat. Dürfe er wirklich ganz allein verreisen, fragt ihn der Sicherheitsmann verdutzt. „Natürlich“, sagt Franziskus. „Ich bin der Papst.“ Und schon hat er einen Kumpel mehr, mit dem er in die Pizzeria nebenan gehen wird – nicht wie Benedikt, der seine Mahlzeiten allein in einem tristen Raum einnimmt.

Wobei es weder diese noch die eingangs erwähnte Szene braucht, um zu erkennen, dass Meirelles keinen Film über den Vatikan, sondern einen über Alleinsein, Einsamkeit und den Umgang damit gemacht hat, mit zwei Päpsten als Erzählvehikel. Ein geschickter Kunstgriff, der den Faktor Spiritualität berücksichtigt. Und darauf hinweist, dass man nichts unversucht lassen sollte, um seine Lebensfreude zurückzuerlangen. Was Papst Benedikt zu tun bereit war, ist ja bekannt.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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