Nüchtern neurotisch

„Alt sind nur die anderen“: Lily Brett sinniert über Alltagsszenen und Altersprozesse.

Acht Jahre sind vergangen seit Erscheinen von Lily Bretts Roman „Lola Bensky“. Nun liegt eine Sammlung ihrer 2016 bis 2019 veröffentlichten Kolumnen vor, in denen sich die 1946 geborene Schriftstellerin vorwiegend mit dem Alterungsprozess auseinandersetzt und Szenen aus ihrem Leben erzählt. Viel aus ihren bisherigen Romanen und Texten Bekanntes blitzt durch, Bretts unverkennbarer ironisch-nüchterner Humor und Stil sind allgegenwärtig. Ihre Neurosen und Ängste, die sie stets thematisiert, scheinen angesichts ihres Alters nicht stärker geworden zu sein, während ihre Liebe zu New York, der Stadt, in der sie seit fast 40 Jahren lebt, ungebrochen ist. Die Grundeigenschaft der New Yorker, sich stets und über alles zu beklagen, hat sie längst kultiviert. Und auch ihr Vater, der dieses Jahr unglaubliche 104 Jahre alt ist, spielt wie in so vielen ihrer Werke eine Rolle.

Stichwort Alter also: „Sich jung zu fühlen fällt in New York leichter als an anderen Orten. Hier herrscht die Überzeugung, wenn nicht gar der Glaube, dass jeder jung ist. Man wird ,Miss‘ genannt, ganz gleich, ob man eine zehnjährige Zahnspangenträgerin ist oder achtzig und am Stock geht.“ So wird Lily Brett bei einem Restaurantbesuch mit ihrem Mann, David, kurzerhand zu einem Speeddating eingeladen, da sie allzu neugierig das Treiben verfolgt hat. Allerdings, wirft sie ein, werden in der „New York Times“ „alle Leute über fünfundsechzig als ,älter‘ bezeichnet“.

Warum Frauen jeden Alters ständig penibel auf ihr Aussehen achten, während Männer „aus dem vorletzten Loch pfeifen können und immer noch als begehrenswert gelten“, überlegt Brett ebenso. Geoffrey, ihr Friseur, betont, sie sei seine einzige Kundin über vierzig, die noch nie eine Schönheitsoperation hatte. Dazu erklärt sie lapidar: „Ich habe nie einen Gedanken daran verschwendet, mein Aussehen zu verlieren.“

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