Zwei Skandale rund um die kriminellen Machenschaften bei Wirecard und der Commerzialbank Mattersburg erschüttern den Finanzplatz Österreich. Wie konnte das passieren?
Wien. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, besagt ein russisches Sprichwort. Wenn man die Nachrichten in den vergangenen Wochen mitverfolgt hat, drängt sich der Eindruck auf: In der Finanzbranche ist weder das eine noch das andere vorhanden.
Im Juni stellte sich heraus, dass der aus Österreich stammende Vorstand des deutschen Zahlungsanbieters Wirecard die global verflochtenen Finanzmärkte dazu missbraucht hatte, Vermögenswerte von 1,9 Milliarden Euro vorzutäuschen. Nun ist der gefeierte Börsenstar insolvent, Ex-Vorstandschef Markus Braun auf Kaution frei, seine rechte Hand, Jan Marsalek, auf der Flucht.
Während sich viele noch darüber wundern, wie Milliardensummen von einem Tag auf den anderen nicht mehr existieren, bricht im beschaulichen Burgenland der nächste Finanzskandal aus: Der Commerzialbank Mattersburg wird die Lizenz entzogen, der Bankchef soll fiktive Buchungen getätigt haben. Ein Regierungskommissär wurde bestellt, die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Einlagensicherung muss einspringen, Gemeinden bangen um ihre Guthaben.
Die beschriebenen Fälle sind zwar von unterschiedlichem Kaliber – aber bei beiden wurden Bilanzen gefälscht, ohne dass es aufgefallen wäre. Wie konnte das passieren? Die Tendenz der Finanzindustrie, Grenzen auszutesten, ist keine Neuigkeit – daher unterliegt sie mehrstufigen Kontrollmechanismen.
Die drei wichtigsten und ihre Mängel:
Corporate Governance
Die Corporate Governance ist der organisatorische und rechtliche Rahmen der Unternehmensführung und -steuerung. Es ist die erste Stufe, die Unregelmäßigkeiten in einem Betrieb – ob absichtlich oder unbewusst – verhindern soll. Vor allem die interne Revision muss kontrollieren, ob die Geschäfte ordnungsgemäß durchgeführt werden und das Zahlenwerk stimmt. Das Problem bei kleinen Firmen ist, dass sie nicht ausreichend Ressourcen für eine starke interne Kontrolle haben und es ihnen an Unabhängig mangelt, um eine fehlgeleitete Geschäftsführung in die Schranken zu weisen.
Besser dafür geeignet wäre der Aufsichtsrat in Kapitalgesellschaften. Das Kontrollgremium wird von der Hauptversammlung bestellt, um den Vorstand zu überwachen. Doch auch hier besteht in der Praxis oft ein zu enges Vertrauensverhältnis zur operativen Führung – vor allem, wenn diese auch noch Anteile am Unternehmen besitzt und sich selbst aussuchen kann, von wem sie kontrolliert werden soll. In vielen Fällen fehlt es Aufsichtsräten an Kenntnissen des jeweiligen Geschäfts, um dem Vorstand ebenbürtig entgegenzutreten. Sowohl bei Wirecard als auch bei der Commerzialbank sind sie ihren Pflichten nicht nachgekommen.