Boku-Rektor: "Aufnahmetests sind nicht treffsicher"

(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Boku-Rektor Martin Gerzabek kritisiert Aufnahmetests und erklärt, warum die Diskussion über Drittmittel in der Schieflage ist.

DiePresse.com: Der Boku fehlen 2013-2015 ungefähr 33 Millionen Euro. Die Kürzungen kommen ausgerechnet von einem Boku-Absolventen, nämlich dem Finanzminister. Sind Sie enttäuscht?
Martin Gerzabek: Es geht hier um ein Sparpaket für ganz Österreich, die Boku ist sicher nicht diejenige, die speziell betroffen ist. Ich bin also sicher nicht enttäuscht von Herrn Vizekanzler Pröll. Ich hoffe aber doch, dass wir in den nächsten Monaten entsprechende Gespräche führen können, wie es mit der Finanzierung der Universitäten und der Bildung in Österreich tatsächlich weitergeht.

Wie kann man den Hochschulsektor aus der Budgetmisere führen, ohne immer nur mehr Geld zu verlangen?
Gerzabek: Der Hochschulsektor ist in Summe sicher noch lange nicht ausreichend finanziert. Aber auch bezüglich der Effizienz ist noch nicht alles so, wie es sein könnte. Etwa, wenn man die hohen Dropout-Raten ansieht: Der Bereich der ersten Semester ist für die meisten Universitäten ein ressourcenbelastender Bereich. Hier wäre eine noch gezieltere Beratung der angehenden Studierenden notwendig.

Der Hochschulforscher Hans Pechar ist der Meinung, das Problem ist der offene Hochschulzugang. Sehen Sie das auch so?
Gerzabek: Ich sehe das etwas differenzierter. Es kommt darauf an, ob man an einer Universität mit Massenfächern konfrontiert ist, oder nicht. Wir an der Boku sind nicht mit dem Problem konfrontiert, dass tausende in ein einzelnes Studium hineindrängen. Unsere Studien sind keine Modestudien, sondern Studien, wo es auch am Arbeitsmarkt Nachfrage gibt. Wir müssten eher ausbauen, um auch der Wirtschaft die Anzahl von Absolventen anzubieten, die sie benötigt. 

Wie sehen Sie das in anderen Fächern, die genau vor dem Problem stehen, dass sie überrannt werden. Ist es legitim, dort Beschränkungen einzuführen?
Gerzabek: Ja, für die Universitäten, die in dieser Lage sind, ist es sicher legitim, das zu fordern. Sie können ja gar nicht mehr anders. Wenn auf der einen Seite die Ressourcen nicht da sind und auf der anderen Seite aber die Anzahl der Studierenden sich am Bildungsmarkt frei einstellen kann, dann müssen diese Universitäten natürlich einen geregelten Hochschulzugang verlangen.

Wie kann man Studierendenströme sinnvoll lenken?
Gerzabek: Ich glaube, dass im Bereich der Beratung vor der Studienwahl noch mehr gemacht werden muss. Viele Studierende gehen immer noch mit vielleicht romantischen oder falschen Vorstellungen in ein Studium hinein. Da muss man bereits bei Kindern ansetzen. Ich glaube, dass alle Universitäten noch mehr dafür tun müssen, um die einzelnen Studium und deren Berufsfelder besser darzustellen, zu zeigen, dass das sehr spannende Fächer sind und sich tolle Möglichkeiten für die Zukunft ergeben. Allein eine Zugangsbeschränkung löst ja das Problem noch nicht, dass wir zu wenige Elektrotechniker oder Holzwirte haben. Mit "BOKU4you" vwersuchen wir in Kooperation mit der ÖH bereits in Schulen aktiv Beratung durchzuführen, die Kinder-Uni und Sparkling Science sind weitere wichtige Ansatzpunkte.

Kurz: Informieren, aber dann die Studenten frei wählen lassen. 
Gerzabek: Zumindest wäre das die Idealvorstellung. Aber in den Massenfächern wird das unter den derzeitigen Ressourcenbedingungen nicht gehen.

Im angelsächsischen Raum und auch in Skandinavien suchen sich die Universitäten die Studierenden längst aus. So kriegen sie die Besten. Würden Sie sich das nicht auch wünschen?
Gerzabek: Ja, aber was gegen Aufnahmeverfahren über Tests spricht, ist, dass sie nicht sehr treffsicher sind. Es ist sehr schwierig, von den fachlichen Kenntnissen am Beginn des Studiums unbedingt darauf zu schließen, wie gut jemand das Studium bewältigen kann oder wie gut der Absolvent, die Absolventin dann sein wird. Wenn man Aufnahmeverfahren macht, müssten diese sehr aufwändig sein. Das ist wieder eine Ressourcenfrage.

In Österreich gibt es ein anderes Modell: Die Studieneingangsphasen, die ab nächstem Jahr eingeführt werden. Bleiben da die leistungsfähigsten und besten übrig?
Gerzabek: Es bleiben zumindest die „stressresistentesten“ übrig. Die Studieneingangsphasen sind ein Behelf, den wir brauchen, um möglichst rasch diejenigen fördern zu können, von denen anzunehmen ist, dass sie auch längerfristig dem Studium erhalten bleiben. Insofern ist diese Vorgangsweise sicher zu unterstützen.

Serie: Die Zukunft der Unis

Gesprächspartner aus dem Uni-Sektor haben in der DiePresse.com-Serie ihre Visionen für die österreichischen Universitäten skizziert. Alle Gespräche zum Nachlesen.

Was Kooperation mit der Privatwirtschaft betrifft: Von den Unis wird immer gefordert, sich da stärker zu engagieren. Geschieht da zu wenig?
Gerzabek: Wenn ich für die Boku sprechen darf, sicher nicht. Wir haben im Vorjahr 32 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben. Damit beschäftigen wir 850 Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Nur, was in diesen Diskussionen übersehen wird ist, dass die Wirtschaft zunächst einmal die Forschung fördert und nicht die Durchführung von Bachelorstudien. Ich glaube, da ist die Diskussion ein bisschen in einer Schieflage.

Waren die Einnahmen aus den Studiengebühren mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein?
Gerzabek: Ja. Das sind vier bis fünf Prozent des Universitätsbudgets der Boku. Bis 2013 werden diese Beträge noch teilweise refundiert. Danach ist nicht geklärt, wie es weitergeht. Auf diese Einnahmen werden wir aber sicher nicht verzichten können.

Wenn man Studiengebühren wieder einführte: Wie hoch müssten diese sein, damit sie Sinn machen?
Gerzabek: Für die Universitäten ist der wesentliche Punkt: Die Lehre muss finanziert sein. Ob das durch höhere Studiengebühren bei gleichzeitiger Erhöhung der Stipendienleistungen ist, über ein höheres Globalbudget bzw. über Studienplatzfinanzierung seitens des Staates, ist für die Universitäten letztlich egal. Für die Politik wird es nicht egal sein.

Oft hat man den Eindruck, die Rektoren wälzen die Problematik auf die Studierenden ab. Trauen sich die Rektoren nicht, sich mit dem Ministerium anzulegen?
Gerzabek: Die Unis sind ständig im Diskurs mit dem Ministerium. Das Problem ist, die Rektoren finden Rahmenbedingungen vor, die sich schwer verändern lassen. Unter diesen Bedingungen haben die Rektorate trotzdem die Verpflichtung, das Funktionieren der Universität aufrecht zu erhalten. Solange sich diese nicht ändern, müssen die Rektorate tätig werden. Vielleicht führen auch diese Maßnahmen in der Öffentlichkeit zu einem gewissen Umdenken.

Wie soll der Hochschulsektor in Österreich in zehn Jahren aussehen?
Gerzabek: Die Idealsicht: konsolidiert, finanziert und wissenschaftlich exzellent. Allerdings  hängt dies auch davon ab, wie sich die anderen Bereiche des tertiären Bildungssektors entwickeln werden. Die Politik setzt sehr stark auf die Fachhochschulen, um besser planbar bestimmte Absolventenzahlen zu erreichen. Bei den Universitäten wird man bezüglich der Finanzierung insbesondere der Lehre zu einer klareren Konzeption kommen müssen. Das haben die Diskussionen der vergangenen Wochen deutlich gezeigt. Die Universitäten brauchen eine Phase der Konsolidierung. Die Universitäten hatten sehr wenig Zeit, die positiven Seiten der Autonomie, die mit dem UG 2002 gekommen ist, voll auszuleben.

Wovon hängt die Zukunft der Unis am stärksten ab?
Gerzabek: Die Studierenden selber sind ein sehr wichtiger Faktor. Wettbewerb haben wir ja derzeit schon zwischen den Universitäten in Österreich aber zunehmend auch international. Die Frage der Ressourcen bleibt, glaube ich, eine zentrale Frage für die Entwicklung der Universitäten. Ohne entsprechende Ausstattung werden wir den Grundsatz, dass Universitäten auf Basis der forschungsgeleiteten Lehre agieren sollen, nicht halten können. Das wäre dann der größte Schaden.

Wo werden wir in zehn Jahren sein, wenn die Ausstattung so bleibt, wie es sich derzeit abzeichnet?

Gerzabek: Im besten Fall haben wir uns „österreichisch“ durchgewurstelt; jedenfalls werden wir international sehr viel Terrain und den positiven Impetus der letzten Jahre verloren haben.

Zur Person

Martin Gerzabek, Jahrgang 1961, ist seit Dezember 2009 Rektor der Universität für Bodenkultur in Wien. Der gebürtige Wiener studierte Landwirtschaft an der Boku. Seit 2003 war Gerzabek als Vize-Rektor für Forschung an der Boku tätig.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

FHRektor Absolventenfinanzierung waere interessant
Hochschule

FH-Rektor: "Absolventenfinanzierung wäre interessant"

Der Rektor der FH-Joanneum, Karl Peter Pfeiffer, spricht über fehlende Bewerber für die FH und wünscht sich neben "Dr. House" einen "Dr. Technik".
Giesskannenprinzip gehoert abgeschafft
Hochschule

Vizerektorin: "Gießkannenprinzip gehört abgeschafft"

Maria Regina Kecht, Vizerektorin der privaten Webster-Uni, spricht über Sexismus, erfolgversprechende Studierende und Monumente für Österreichs Forscher.
Experte Studierende werden Unis
Hochschule

Experte: "Studierende werden den Unis aufgezwungen"

Hochschulforscher Hans Pechar spricht über den offenen Hochschulzugang als Problem und darüber, was Österreichs Studierende tatsächlich bezahlen.
kann Leute nicht Fach
Hochschule

ÖH-Generalin: "Man kann Studenten nicht in ein Fach zwingen"

Die neue ÖH-Generalsekretärin Mirijam Müller über Aufnahmetests und eine Hochschule, die ihre Studenten krank macht.
Lektorenchef Moment will einfach
Hochschule

Lektorenchef: "Das System fördert die Angepassten"

Lektorenchef Claus Tieber über die Chancen für Jungwissenschaftler, exzellente Foschung und warum ohne mehr Geld alles nichts ist.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.