Werbung: Watchgroup gegen Sexismus?

(c) Clemens Fabry
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Was hat Bier mit nackten Frauen zu tun? Der Werberat prüft; Wien will wie Graz Sexismus in der Werbung ins Visier nehmen. Stadträtin Frauenberger überlegt die Gründung einer „Watchgroup“ im Spätherbst.

Wien. Für Hirter Bier ist offenbar alles plangemäß gelaufen: Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass die ,Hirter Fasstypen‘ polarisieren, und nehmen die öffentliche Diskussion bewusst in Kauf...“, schreibt die Brauerei (kompletter Text) in ihrer Stellungnahme, die man auch kürzer formulieren könnte. Etwa so: Vielen Dank für den Protest.

Was ist passiert? Nun, Hirter hat getan, was Brauereien gern machen, nämlich Werbung mit nackter Haut. Auf ihren Plakaten ordnete die Kärntner Privatbrauerei Hirt je eine nackte Frau (blond, braun- und rothaarig) einer Biersorte zu – und lieferte damit der Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) passendes Anschauungsmaterial für ihren Juli-Schwerpunkt „Kampf gegen Sexismus in der Werbung“: „Es war Zufall, aber als ich die Plakate gesehen habe, war klar: Das passt gut“, sagt sie. Und zwar für beide. Dass sie so Werbung für Hirter und Co macht, nimmt Frauenberger in Kauf: „Wenn man etwas kritisiert, muss man die Firma nennen.“

Der Grund für den Schwerpunkt sei, dass man die Sexismusdiskussion von der Ästhetikebene wegholen müsse, sagt Frauenberger. Wobei objektive Definitionen nicht ganz einfach sind: Der Werberat etwa (Gremium aus Medien-, Agenturvertretern etc.) arbeitet mit einem ganzen Kriterienkatalog. Wenn der nackte Körper (anders als etwa bei Unterwäsche) nichts mit dem Produkt zu tun hat, gilt das aber als Indiz. Und zwar bei beiden Geschlechtern, auch wenn das – wie die Wiener FPÖ in einer Aussendung eilfertig anmerkt – in der Vergangenheit (Stichwort Coke-light-Mann) vielleicht nicht immer so klar war.

In einem ersten Schritt ließ Frauenberger nun vorgefertigte Beschwerdebriefe zum Download bereitstellen, die die Bürger an Unternehmen und Werberat schicken können, wenn sie eine Werbung sexistisch finden. (Das konnte man schon vorher, aber, so Frauenberger: „Etwas weiterzuleiten ist leichter, als einen Brief zu verfassen.“) In einem zweiten Schritt überlegt die Stadträtin die Gründung einer „Watchgroup“ im Spätherbst, falls sich ein Verbot von sexistischer Werbung im bundesweiten Gleichbehandlungsgesetz nicht durchsetzen lässt (was wahrscheinlich ist). Eine solche Watchgroup gibt es in Graz seit einem Jahr. Gegründet wurde sie von der dortigen Frauenbeauftragten Maggie Jansenberger, weil diese ebenso wie Frauenberger mit dem „zahnlosen“ Werberat nicht zufrieden ist.

Ergebnis am Freitag

Bissig ist die Watchgroup aber auch nicht, wie Jansenberger zugibt: „Wir können keine Sanktionen verhängen.“ Vielmehr nehme man Beschwerden entgegen, bewerte Kampagnen online und hole ein Statement der Firma ein: „Die bedauern meist, reagieren aber sonst nicht. Wenn es örtliche Unternehmen sind, zeigen sie uns bisweilen das nächste Mal das Sujet vorab.“

Und wie reagiert der Werberat? Man habe nichts gegen mehr wachsame Kritiker, sagt Präsident Michael Straberger, jedoch gehe die Politik – wahlkampfbedingt – in die falsche Richtung: „Anstatt mit dem Werberat zusammenzuarbeiten, ruft man nach Verboten. Es gibt aber einen europäischen Konsens, dass Selbstbeschränkung besser ist.“ Der Werberat kann zwar eine Firma nur bitten, eine Kampagne zu stoppen, aber laut Straberger ergebe sich schon in der Hälfte aller seriösen Beschwerdefälle eine Lösung im Vorfeld. Im Fall Hirter ist eine Bewertung im Gange, das Ergebnis wird für Freitag erwartet. Und, ist das Bier-Plakat jetzt sexistisch? Strabergers persönliche Meinung: „Ich kann nur sagen, dass es eine schlechte Arbeit ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2010)

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