The Pillory From The Coutumes De Toulouse
Grabenkämpfe

Wir bauen jedes Denkmal zum Pranger um

Falsche Heilige, Strafpredigten, stumme Flagellanten und Sünder am Schandpfahl: Die Rassismus-Debatte nimmt zunehmend mittelalterliche Züge an. Und die politischen Grabenkämpfe sorgen dafür, dass niemand ungeschoren bleibt.

Es war einmal das Mittelalter. Die Zeit der Heiligen, der Vorbilder im Glauben und der guten Tat, an denen niemand zweifeln durfte. Es galt, sie zu erhöhen, aufs Podest zu stellen, zur öffentlichen Verehrung. Einige wenige dieser frommen Wesen kletterten noch zu Lebzeiten auf eine Säule und hausten da oben bis ans Ende ihrer Tage, als Säulenheilige. Bei den meisten aber sorgte die Kirche als einzige Instanz in moralischen Fragen post mortem für das Nötige: Sie ließ Tafelbilder für den Flügelaltar malen und Skulpturen fürs Domportal meißeln. Das Volk sollte zu seinen Heiligen aufblicken, sie waren dem Zugriff der Kritik entzogen. Verweigerte jemand ihre kultische Verehrung, geschah zuweilen eines jener „Bestrafungswunder“, von denen die Hagiografen berichten. Und wenn nicht, dann gab es immer noch den Pranger.

Es war einmal die Gegenwart. Wir erleben eine rabiate Reformation samt Bildersturm. Versteinerte Persönlichkeiten, die zu ihrer Würdigung irgendwann einmal im öffentlichen Raum aufgestellt wurden, fallen reihenweise in Ungnade und zu Boden. Bei manchen wundert man sich nicht, bei anderen fördert es erst inquisitorisches Wühlen in Lebenslauf und Werk zutage: Sie waren Unholde! – Rassisten, Frauenhasser oder Schergen des kolonialen Systems.

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