Europäischer Rat

EU-Budgetgipfel: Rabattsieg für "Sparsame Vier"

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In der Schlussphase des Ringens um das EU-Budget erhielten die „Sparsamen Vier“ weitere Zugeständnisse - bei ihren Abschlägen von den Mitgliedsbeiträgen

Nach drei zermürbenden Verhandlungstagen begannen die 27 Staats- und Regierungschefs der Union am Montagabend ihren letzten Anlauf, um eine Einigung über den Sonderfonds gegen die Coronarezession sowie den Haushaltsrahmen der Jahre 2021–2027 zu erzielen. Der neueste Kompromissvorschlag, den Charles Michel, Präsident des Europäischen Rats, vor Anbruch der Nacht vorlegte, enthielt ein weiteres Zugeständnis an die „Frugalen Vier“ Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark. Denn ihre jährlichen Rabatte auf die Mitgliedsbeiträge würden diesem Papier zufolge noch einmal steigen. Österreich müsste jährlich 565 Millionen Euro weniger nach Brüssel überweisen, als es der generellen Berechnungsmethode entspräche. Am Sonntag waren 287 Millionen Euro im Gespräch. Für die Niederlande dürfte der Rabatt gegenüber diesem vorherigen Vorschlag von 1,58 Milliarden auf 1,92 Milliarden Euro steigen, für Schweden von 798 Millionen auf 1,07 Milliarden Euro, und für Dänemark von 197 Millionen auf 322 Millionen Euro. Der deutsche Rabatt bleibt gegenüber dem Beginn der Verhandlungen bei 3,67 Milliarden Euro unverändert.

Vier grundsätzliche Fragen sind abschließend zu beantworten, ehe man von einer dauerhaften Einigung sprechen darf.

1 Wie viel Geld wird die EU nun zusätzlich gegen die Coronarezession ausgeben? Und wer bekommt wie viel davon?

390 Milliarden Euro: Eine starke Kürzung des ursprünglichen Vorschlags von 500 Milliarden Euro. Dieses Geld soll dem Unionsbudget für die Jahre bis 2023 aufgepropft werden. Mehr als ein Drittel der Gesamtsumme wird an Italien und Spanien fließen. Doch auch Frankreich würde üppig bedient werden. Darum war Frankreichs Präsident Emmanuel Macron während des Gipfels zusehends verärgert über den Widerstand der Frugalen Vier. Denn sein Premierminister Jean Castex hofft, dass 35 Milliarden Euro aus Brüssel in Frankreichs eigenes 100-Milliarden-Euro-Konjunkturprogramm fließen. Die Kürzung bedeutet übrigens auch, dass Österreich weniger Coronahilfen zustehen. Ursprünglich wären das etwas mehr als vier Milliarden Euro gewesen.

2 Der niederländische Premier Rutte wünscht sich ein Vetorecht gegen die Auszahlung dieser Transfers. Was bedeutet das?

Ein volles, rechtlich bindendes Veto wird Rutte nicht bekommen. Aber zumindest einen Mechanismus, im Rahmen dessen ein einziges Mitgliedsland im Europäischen Rat Bedenken gegen Reformpläne vorbringen kann, den alle Länder vorlegen müssen, um Coronatransfers zu erhalten. Laut Michels Entwurf müsste der Europäische Rat binnen dreier Monate im Rahmen eines Gipfels „entschlossen diskutieren“. Sprich: Die eigentlich als rasche Antwort auf die Coronakrise gedachten Wiederaufbauhilfen drohen, im Hickhack einander misstrauender Regierungen noch weiter verzögert zu werden.

3 Müssen Länder, in denen der Rechtsstaat politisch gezielt geschwächt wird, einen Verlust von EU-Subventionen erwarten?

Auch das ist offen. Wahrscheinlich ist es nicht. Denn die Regierungschefs von Polen, Ungarn und neuerdings Slowenien lehnen das strikt ab. Kein Wunder: Sie kämen angesichts ihrer autoritären Politik, welche nach und nach unabhängige Kontrollinstanzen wie Justiz und Medien zu fesseln trachtet, als Erste infrage für so einen Mechanismus. Zwar könnten sie ein Veto gegen den gesamten Finanzrahmen einlegen, der ohne die Coronahilfen 1,074 Billionen Euro betragen dürfte. Damit würden sie sich jedoch ins eigene Fleisch schneiden. Denn ihre politische Basis ist vom Fließen der Brüsseler Subventionen abhängig. Doch diese Vetodrohung dürfte gar nicht nötig sein. Michels Entwurf sieht vor, dass es einer qualifizierten Mehrheit im Rat bedürfte, um solche Sanktionen zu beschließen. Es dürfte den genannten Regierungen leicht fallen, eine Sperrminorität dagegen zu organisieren.

4 Behält Österreich seinen Rabatt vom Mitgliedsbeitrag? Und wie sollen die Coronatransfers zurückgezahlt werden?

Wie eingangs erwähnt, ja. Und er wird mit voraussichtlich 565 Millionen Euro höher als in der ablaufenden Finanzperiode 2014 bis 2020. Da beträgt er jährlich 137 Millionen Euro. Doch diese Zahlen sind nicht vergleichbar. Denn der Rabatt war stets ein Rabatt vom Britenrabatt: eine Senkung der Zahlungen, die Österreich leisten musste, um die Rabatte des Vereinigten Königreichs zu decken. Nun fällt aber der gesamte britische Nettobeitrag weg. Diese jährlich rund 13 Milliarden Euro müssen die Nettozahler übernehmen. Österreichs EU-Beitrag wird also stark steigen, auch wenn das Finanzministerium noch rechnet, um wie viel genau. Der neue Rabatt ist also nur eine kleine Erleichterung. Die Rückzahlung der Anleihen, welche die Kommission zur Deckung dieser Transfers begeben wird, soll ab 2028 beginnen. Nach derzeitigem Stand wird das durch erhöhte Mitgliedsbeiträge passieren – außer, die Chefs einigen sich doch noch darauf, eine EU-Digitalsteuer (wird von Irland und Luxemburg abgelehnt) oder eine Klimaabgabe auf Importe (würde Strafzölle Chinas und der USA verursachen) einzuführen.

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