Nukleartechnik

Atomenergiebehörde in Wien fordert innovative Kernreaktoren

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Weitgehend hinter den Kulissen gibt es in vielen Ländern große Anstrengungen in Richtung neuer Atomkraftwerke der 4. Generation, die von den bestehenden Systemen teils massiv abweichen.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien und das „Generation IV International Forum" (GIF) - eine Initiative, an der 13 Länder mit Atomtechnologie beteiligt sind – fordern größere Anstrengungen, um durch den frühzeitigen Einsatz innovativer Kernreaktorsysteme der sogenannten 4. Generation die Bekämpfung des Klimawandels zu unterstützen. Dies ist das Resultat des 14. GIF-IAEO-Schnittstellentreffens, das diesen Monat in der Wiener UNO-City stattfand. Dabei wurden die technischen Fortschritte im Bereich neuer Reaktorensysteme besprochen.

Das GIF wurde im Jahr 2000 gegründet, um die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten betreffend Machbarkeit, Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Reaktorsystemen der nächsten Generation zu ermitteln. Dazu zählen gasgekühlte Hochtemperaturreaktoren, Blei-gekühlte Schnellreaktoren, Salzschmelze-Reaktoren (typischerweise mit dem Element Thorium als Brennstoff), überkritische wassergekühlte Reaktoren und Natrium-gekühlte Schnellreaktoren.

Designziele bei innovativen Atomreaktorsystemen sind unter anderem stark erhöhte (bis theoretisch absolute) Sicherheit, Wirtschaftlichkeit von Bau und Betrieb sowie die Minimierung des Risikos, dass radioaktive Stoffe daraus in unbefugte Hände gelangen. Ein ausführlicher Artikel dazu findet sich unter diesem Link.

Die beiden größten und fortschrittlichsten natriumgekühlten Reaktoren etwa stehen zur Zeit in Russland. Der BN-600 läuft in Belojarsk nahe Jekaterinburg im Uralgebiet, das aber auch schon wieder seit 1980. 2015 wurde direkt daneben der BN-800 in Betrieb genommen. Beide dienen der Forschung, sind aber auch ans Stromnetz angeschlossen.

Rosatom/http://euanmearns.com

Heuer im Frühjahr wurde begonnen, den BN-800 auf die Verbrennung von Atommüll umzustellen. 2021 soll der Reaktor vollständig mit benutzten Brennelementen aus abgereichertem Uran (U-238) und Plutonium (Pu-239) bestückt werden.

USA und Europa haben den Anschluss verloren

In den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland hat man die praktische Brutreaktor-Forschung vor Jahren abgebrochen. In Russland verfolgt man das Ziel eines geschlossenen nuklearen Brennstoffkreislaufes unter dem Titel „Proryv" (Durchbruch) jedoch weiter. Im Juni begann Russland im Sibirischen Chemischen Kombinat Seversk mit dem Bau eines diesbezüglichen Pilotkomplexes BREST-OD-300. Der Reaktor wird flüssiges Blei als Kühlmittel verwenden. Erst vor Ort will man dann den atomaren Brennstoff produzieren, Energie erzeugen und Brennstoff auch wieder recyclen./

China wiederum ist dabei, den Bau eines fortschrittlichen, modularen, gasgekühlten Hochtemperaturreaktors "HTR-PM" abzuschließen. Der nukleare Brennstoff wird in Form von Kugeln eingeführt und mit Helium gekühlt. In den USA wurden zuletzt gesetzgeberische Maßnahmen gesetzt, um den bestehenden Rückstand in diesem Technologiebereich wettzumachen.

IAEO/CAEA

International vermarktet werden hingegen derzeit weiterhin nur Reaktoren der teils seit langem existierenden Generationen 3 und 3+. Es sind etwa der „EPR" des französischen Unternehmes „Framatome", der „AP1000" von „Westinghouse-Toshiba" und der „WWER-12" von „Rosatom". Über 50 Kernreaktoren befinden sich übrigens weltweit in verschiedenen Baustadien, vor allem in China, Südkorea, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Marktführer Russland

Marktführer ist die russische Rosatom-Gruppe, die aktuell an nicht weniger als 36 neuen Atomreaktoren in zwölf Ländern baut. Darunter fällt auch das vor allem in Österreich umstrittene Projekt im südungarischen Paks, wo bis 2027 zwei WWER-1200 der modernsten Generation 3+ gebaut werden sollen.

Zum Autor

Martin Rosenkranz ist Fachmann für Luftfahrt-, Militär- und Technologiethemen und war Chefredakteur von www.airpower.at. Sein Text wurde redaktionell und optisch bearbeitet von Wolfgang Greber (Die Presse).

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