Stadtbild

Wie Nelson Mandela ins Seestadt-Nirgendwo kam

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Ein Platz, der frei ist und sonst nichts: von der hohen Kunst hiesiger Verkehrsflächenbenennung.

Wo nichts als Platz ist, braucht es keine Plätze. Weshalb wir Plätze üblicherweise umringt von Gebautem sehen. Der Platz sei „eine von Gebäuden umbaute freie Fläche in Städten“, bestätigt auch das Lexikon, und nennt den Platz „Brennpunkt öffentlichen Lebens“, Repräsentationserwartung inklusive. So weit die städtebauliche Theorie. Der wird die Wiener Wirklichkeit auch sonst nicht überall gerecht, doch so gar nicht wie im konkreten Fall, das gibt's selbst hier nicht alle Tage.
Frei ist er ja schon, der Nelson-Mandela-Platz, Wien Donaustadt, doch nachgerade frei im Übermaß, denn „von Gebäuden umbaut“ ist da rein gar nichts, von Brennpünktlichkeit keine Rede. Die Einöde rundum findet nordseitig einzig in der Trasse der U2 eine Begrenzung, darin die U2-Station Aspern Nord, die sich, so brachial, wie sie aus der Landschaft gestemmt ist, auch nicht leicht als repräsentativ empfinden lässt.
Leser S. hat mir kürzlich berichtet, was den Friedensnobelpreisträger aus Südafrika in die peripherste Peripherie der ohnehin so peripheren Seestadt Aspern verschlagen hat: Bereits in den 1980ern habe sich eine Anti-Apartheid-Initiative um eine Würdigung Mandelas im Wiener Straßenbild bemüht, die freilich nach dem hiesigen Regulatorium erst nach dem Tod Mandelas, 2013, möglich wurde. Ein längerer innermagistratischer Diskussionsprozess habe anschließend den 22. Bezirk als idealen Mandela-Ort erbracht, dort wiederum die Seestadt Aspern, wo's an neu zu benennenden Verkehrsflächen ja nicht mangelt. Nur gilt dort die Regel, bei Straßennamen Frauen zu bevorzugen. Wodurch für Herrn Mandela eben nur ein Platz verblieb, und da halt einer, der als solcher (noch) nicht zu erkennen ist.
Nun, wir wissen: Nichts bleibt, wie es ist. Nicht einmal in Wien. Und das kann in diesem Fall tatsächlich nur von Vorteil sein.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

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