Als Angela Merkel ihr Vermächtnis umschrieb

Angela Merkel nach dem zweitlängsten Gipfel ihrer Kanzlerschaft
Angela Merkel nach dem zweitlängsten Gipfel ihrer Kanzlerschaft(c) APA/AFP/POOL/JOHN THYS (JOHN THYS)
  • Drucken

Der Gipfelbeschluss ist auch das Ergebnis einer spektakulären Wende der deutschen Kanzlerin, die noch vor wenigen Monaten einen Aufschrei in den eigenen Reihen ausgelöst hätte.

Brüssel/Berlin. Es sei ein „historischer Tag für Europa“. Sagt er. „Das war nicht einfach“, aber die EU-27 hätten sich „zusammengerauft“. Sagt sie. Während Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, am Dienstag viel Pathos aufträgt, klingt es bei Kanzlerin Angela Merkel eher nach einem schwierigen, aber erfolgreichen Tag im Büro. Das rhetorische Feuerwerk des Franzosen verstellt dabei den Blick darauf, dass der Gipfelbeschluss schon auch ein Merkel-Moment ist. Erstens, weil die Kanzlerin als EU-Ratspräsidentin durch umstrittene Zugeständnisse die Verhandlungen gerettet hat. Und zweitens, weil der Wiederaufbaufonds überhaupt nur möglich wurde, weil die deutsche Regierungschefin Wochen zuvor, auch umstritten, über ihren Schatten Richtung Paris und Südeuropa gesprungen war.

Dabei ist es noch nicht lang her, da schien sich die Geschichte zu wiederholen. Antideutsche Ressentiments geisterten wie früher in der Griechenland-Krise nun durch Italien. Politiker zeichneten das Zerrbild  vom geizigen und herzlosen Deutschen, weil Berlin anfangs medizinische Hilfsgüter und dann Coronabonds verweigert hat. Der Deutsche schwimmt im Geld und lässt den Süden ertrinken: Das war der Vorwurf. Faktisch ist das vier Monate her, gefühlt eine Ewigkeit. Dazwischen liegt eben jene Drehung Merkels, die den Text umschreiben könnte, der über ihre Europapolitik in den Geschichtsbüchern steht.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ratspräsident Michel und Kommissionschefin von der Leyen
Europäischer Rat

Brüsseler Erleichterungsseufzer

Der bisher längste EU-Gipfel brachte eine Budgeteinigung, mit der alle 27 Staaten leben können – jedoch auch schwere Rückschläge für die Verteidigung des Rechtsstaats und die Klimapolitik.
Grüne

Kogler kritisiert Brüsseler „Rabattbazar"

Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin Leonore Gewessler sehen den EU-Deal prinzipiell positiv. Die Kürzungen der Mittel für Klimainvestitionen und Energieumbau seien aber falsch.
Morgenglosse

Von der Leyens Brüsseler Debakel

Klimaschutz, Forschung, Rechtsstaat, Gesundheit: Die Staats- und Regierungschefs haben die ehrgeizigen Ziele der EU-Kommissionspräsidentin brutal zusammengestrichen. Der Königsbeweis dafür, dass sie keine starke Kommission wünschen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.