Der Gipfelbeschluss ist auch das Ergebnis einer spektakulären Wende der deutschen Kanzlerin, die noch vor wenigen Monaten einen Aufschrei in den eigenen Reihen ausgelöst hätte.
Brüssel/Berlin. Es sei ein „historischer Tag für Europa“. Sagt er. „Das war nicht einfach“, aber die EU-27 hätten sich „zusammengerauft“. Sagt sie. Während Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, am Dienstag viel Pathos aufträgt, klingt es bei Kanzlerin Angela Merkel eher nach einem schwierigen, aber erfolgreichen Tag im Büro. Das rhetorische Feuerwerk des Franzosen verstellt dabei den Blick darauf, dass der Gipfelbeschluss schon auch ein Merkel-Moment ist. Erstens, weil die Kanzlerin als EU-Ratspräsidentin durch umstrittene Zugeständnisse die Verhandlungen gerettet hat. Und zweitens, weil der Wiederaufbaufonds überhaupt nur möglich wurde, weil die deutsche Regierungschefin Wochen zuvor, auch umstritten, über ihren Schatten Richtung Paris und Südeuropa gesprungen war.
Dabei ist es noch nicht lang her, da schien sich die Geschichte zu wiederholen. Antideutsche Ressentiments geisterten wie früher in der Griechenland-Krise nun durch Italien. Politiker zeichneten das Zerrbild vom geizigen und herzlosen Deutschen, weil Berlin anfangs medizinische Hilfsgüter und dann Coronabonds verweigert hat. Der Deutsche schwimmt im Geld und lässt den Süden ertrinken: Das war der Vorwurf. Faktisch ist das vier Monate her, gefühlt eine Ewigkeit. Dazwischen liegt eben jene Drehung Merkels, die den Text umschreiben könnte, der über ihre Europapolitik in den Geschichtsbüchern steht.