Coronagespräche

Labvert: "Ein Ort muss sämtliche Sinne ansprechen"

Stephan Vary
Stephan Vary (c) Andreas Scheiblecker, +43/650.60
  • Drucken

Stephan Vary vom Architektur- und Designstudio Labvert über die Grenzen des Home-Office und neue Designkonzepte, die Social Distancing und Hygienekonzepte schon miteinbeziehen.

Das Wiener Architektur- und Designstudio Labvert ist auf Retail-Architektur, Interiordesign und Branddesign im Luxussegment spezialisiert. Gründer Stephan Vary über die derzeitige Corona-Situation:

Wie ist die derzeitige Situation für Sie als Unternehmer in dieser Zeit, in der es zwar keinen Lockdown mehr gibt, Corona aber noch immer allgegenwärtig ist?

Stephan Vary: Mit den gelockerten Sicherheitsmaßnahmen ist die anfängliche Phase der totalen Verunsicherung zum Glück vorbei. Dennoch sind die Folgen noch immer spürbar und werden es sicher auch noch eine ganze Weile bleiben. Wir arbeiten viel für internationale Kunden, aber auch von den österreichischen Auftraggebern wurden einige Projekte abgesagt oder auf Eis gelegt. Besonders der Bereich Hospitality und zum Teil auch Retail ist betroffen. Allerdings kommen auch neue Aufträge rein, der Bedarf an guten Raum- und Designlösungen ist ja weiterhin da.  

Wie gehen Sie in Ihrem täglichen Leben und im Berufsalltag damit um? 

Mittlerweile sind alle meine Mitarbeiter wieder aus dem Home-Office zurück, aber dennoch war es eine wichtige Erfahrung zu sehen, wie gut das geklappt hat. Generell denke ich, wird sich der Trend hin zu digitalen Lösungen, wie Videokonferenzen anstatt sich physisch an einem Ort zu treffen, sicherlich durch den Lockdown beschleunigt haben. In vielen Fällen ist das auch gut so, denn es ist ja ressourcenschonend, wenn man nicht ständig irgendwo in der Welt herumreist. Allerdings haben Online-Meetings dennoch ihre Grenzen, gerade für mich als Architekten und Designer. In meiner Profession geht es ja sehr viel um Physisches, um räumliches Erleben. Ein Ort muss sämtliche Sinne ansprechen, es ist eine körperliche Erfahrung, die digital nicht wirklich vermittelbar ist. 

Interiordesign für ein Appartment in Wien
Interiordesign für ein Appartment in WienMark Glassner


Wie wirkt sich die Krise darauf aus wie Sie arbeiten und mit wem Sie arbeiten?

Mit unseren internationalen Kunden haben wir schon vor dem Lockdown sehr gute Erfahrungen mit Videokonferenzen gemacht, um Projekte zu besprechen. Aber auch mit Kunden hier vor Ort in Wien greifen wir vermehrt darauf zurück. In Zukunft ganz auf Reisen zu verzichten halte ich weder für realistisch noch für sinnvoll, aber es ist mir ein Anliegen, Reisen bewusster zu wählen.

Werden sich Ihrer Meinung nach langfristig auch die Bedingungen im Designprozess verändern?

Ja, ganz klar. Ich denke, es muss sich etwas ändern. Diese globale Zäsur, die wir gerade erlebt haben und erleben, hat die Notwendigkeit aufgezeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit, also, wie wir mit unseren Energien und Ressourcen umgehen, höchste Priorität haben muss. Viele der Unternehmen, mit denen wir zusammen arbeiten, verlangen mittlerweile, dass wir diesen Punkt bereits im Design bedenken und entsprechend beispielsweise mit recycelten oder lokal produzierten, natürlichen Materialien arbeiten. 

In der Produktion? Im Vertrieb? Oder schon im Entwurfsprozess? 

Nachhaltigkeit, wenn es ernst gemeint ist, sollte sich durch sämtliche Bereiche ziehen. 

Mit welchen mittelbaren Effekten auf die Ausgestaltung von Dingen und Räumen durch Corona ist Ihrer Meinung nach zu rechnen?

Bereits jetzt ist deutlich, dass wir in unseren Entwürfen das Thema Hygiene viel stärker als früher berücksichtigen werden müssen und dazu gehört dann auch, dass wir innovative Raumelemente vorschlagen, die Social Distancing auf natürliche Art ermöglichen, ohne dass der Gesamteindruck eines Raumes leidet.

Dior Sonnenbrillenboutique
Dior Sonnenbrillenboutique(c) Andreas Scheiblecker

Wieviel Kontaktlosigkeit verträgt der kreative Prozess überhaupt?

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Miteinander in Kontakt zu sein, im Austausch sein zu können, ist ein wichtiger Aspekt im kreativen Prozess. Das gilt für uns als Designer und Architekten selbstverständlich auch und es ist unsere Aufgabe, Raumlösungen und Objekte zu schaffen, die das auf eine sichere Art ermöglichen.  

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Porträt: Nada Nasrallah and Christian Horner
Coronagespräche

Soda: "Die Erfahrung macht uns bewusster und kritischer"

Für die beiden Designer Nada Nasrallah und Christian Horner ist die Krise auch eine Chance, neue Dinge auszuprobieren und grundsätzlich zu hinterfragen.
Porträt: Jürgen Christian Hörl
Coronagespräche

Jürgen Christian Hörl: "Wir brauchen eine grüne Revolution"

Warum Mode in die Verantwortung genommen wird und wie das Coronavirus eine Chance für eine positive Entwicklung sein könnte.
Porträt: Karin Oèbster
Coronagespräche

Kayiko: "Mode hat sehr viel mit positiver Stimmung zu tun"

Warum die Lust auf Farbe gestiegen ist, die Stammkunden aber zurückhaltend einkaufen, erzählt Karin Oèbster vom Label Kayiko.
Porträt: Marco Dessi
Coronagespräche

Marco Dessi: "Der kreative Prozess ist ein einsamer"

Das Coronavirus hat auch die Design-Branche destabilisiert, doch für Marco Dessi hat sich trotzdem wenig geändert.
Porträt: Sandra Thaler und Annette Prechtl
Coronagespräche

Elfenkleid: "Es ist wichtig, flexibel zu bleiben und Prioritäten zu setzen"

Das Designduo im Gespräch über Folgen, Risiken und Chancen nach der Coronakrise.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.