Im Zuge des Bilanzskandals wurden der Ex-Chef und zwei Vorstandsmitglieder festgenommen.
Aschheim/ München. Die Staatsanwaltschaft München hat im Betrugsskandal um Wirecard drei Haftbefehle gegen frühere Führungskräfte gestellt. Dabei geht es um gewerbsmäßigen Bandenbetrug und Marktmanipulation. Der insolvente Zahlungsabwickler Wirecard hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft München bereits seit 2015 Umsätze und Bilanzsummen aufgebläht. Das tatsächliche Geschäft habe bereits damals Verluste geschrieben. Die Tatvorwürfe mussten laut den Ermittlern „ganz erheblich“ ausgeweitet werden.
Laut der deutschen Staatsanwaltschaft wollten die drei Vorstandsmitglieder verschleiern, dass Wirecard im tatsächlich vorhandenen Geschäft Verluste schrieb. Markus Braun, der zunächst auf Kaution freigekommen war, sitzt nach Bekanntwerden der weiteren Vorwürfe in Untersuchungshaft.
Ein erster Haftbefehl gegen Braun sei gegen eine Kaution von fünf Millionen Euro außer Vollzug gesetzt worden. In allen Fällen sei die Haftfortdauer angeordnet worden, sagte eine Sprecherin. Die drei Beschuldigten seien in München festgenommen worden, sie hätten sich nicht selbst gestellt. Noch in Untersuchungshaft befindet sich der frühere Chef der Wirecard-Tochtergesellschaft Cardsystems Middle East in Dubai.
Hat Jan Marsalek spioniert?
Auch der Fall Jan Marsalek ist wieder um eine Facette reicher: Der ehemalige Wirecard-Manager könnte beabsichtigt haben, eine Spionage-Software zu erwerben, wie der „Spiegel“ gestern, Mittwoch, berichtete.
Programme, die Überwachung ermöglichen, sind nicht nur für Ermittler, sondern auch für Geschäftsleute bedeutend, wenn es um heikle Informationen geht. Das Mailänder IT-Unternehmen „Hacking Team“ verkauft Überwachungssoftware an Strafverfolgungsbehörden, Regierungen und Unternehmen. Offenbar hat sich auch Jan Marsalek dafür interessiert: Dem Medienbericht zufolge soll er sich am 27. November 2013 mit Vertretern des Unternehmens in deren Hauptquartier an der Mailänder Adresse Via della Muscova 13 getroffen haben. Dabei sei eine Software präsentiert worden, wie aus internen E-Mails über die „fruchtbare Besprechung“ von Hacking-Team-Mitarbeitern hervorgehe. Die Unterlagen sollen aus einem Datensatz von 2015 stammen. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2020)