Prozess

Zehn Jahre Haft im Wiener Terrorprozess

Am 4. Juli wurde in Gerasdorf der Tschetschene Mamichan U. (43) erschossen.
Am 4. Juli wurde in Gerasdorf der Tschetschene Mamichan U. (43) erschossen. APA/HERBERT P. OCZERET
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Während die Ermittlungen nach dem Tschetschenen-Mord weiterlaufen, stand ein Community-Mitglied als Terrorist vor Gericht.

Wien. Am 4. Juli wurde in Gerasdorf der Tschetschene Mamichan U. (43) erschossen. Zwei Landsleute sitzen als Tatverdächtige in U-Haft. Das Opfer hatte den tschetschenischen Machthaber, Ramsan Kadyrow, per Videoblog beschimpft. Dieser Fall beherrschte nun die Gang- und Kulissengespräche bei einem Terrorprozess am Donnerstag im Wiener Straflandesgericht. Wieder stand die tschetschenische Community im Mittelpunkt.

In der Verhandlung ging es ebenfalls um blutige Gewalt. Angeklagt war der in Grosny geborene Adam S. (32). Er kam 2017 mithilfe von Schleppern nach Wien. Sein Name war auf der Fahndungsliste der russischen Föderation zu finden. 2013 hatte S. durch eine in den Bergen der Kaukasusregion ausgelegte Sprengfalle sein Augenlicht und die Finger der linken Hand verloren. Seinen Angaben zufolge war die Falle von russischen Kräften ausgelegt worden.

Zwischen 2008 und 2013 kämpfte Adam S. im Kaukasus gegen Russland. Als Mitglied der radikalislamischen Terrororganisation Emirat Kaukasus (auf ihr Konto gehen Hunderte blutiger Anschläge). Das sagt die Anklage und wirft Adam S. versuchten Mord an russischen Soldaten, begangen als terroristische Straftat, vor. Weil S. bei Einleitung des Strafverfahrens in Österreich lebte, ist auch Österreichs Justiz zuständig.

Die Sichtweise des Angeklagten lieferte nun auch Einblicke in die Welt der tschetschenischen Community. Er habe in der Heimat „beobachtet, wie Menschen verletzt, entführt oder ermordet wurden“. Daher habe er sich der „Vereinigung der nordkaukasischen Republiken angeschlossen, um Widerstand gegen Russland zu leisten – Widerstand gegen die russischen Eroberer“. Er habe sein Land „gegen die Besatzer“ verteidigen wollen, erklärte der von Anwalt Wolfgang Blaschitz verteidigte Mann. Moskau wirft dem Angeklagten vor, an einem Angriff beteiligt gewesen zu sein, bei dem vier russische Soldaten getötet worden seien.

Ob er wusste, dass die Vereinigung die Scharia einführen wollte, fragte Richterin Martina Frank. Dies bejahte der 32-Jährige.

Über den 2014 von Russland getöteten Gründer von Emirat Kaukasus, Doku Umarov, heißt es in der Anklageschrift: „Die Anhänger von Umarov waren in Europa hierarchisch organisiert. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass in Österreich eine im Verhältnis zur Bevölkerungszahl große tschetschenische Community besteht, nahmen dabei in Österreich aufhältige Tschetschenen eine zentrale Rolle ein.“ Schätzungsweise leben hierzulande 35.000 Tschetschenen.

Ob er von der Terrororganisation eine Ausbildung an einer Kalaschnikow (Sturmgewehr AK 47) erhalten habe, wollte die Richterin weiter wissen. Antwort: „95 bis 99 Prozent aller Tschetschenen wissen, wie man mit einer Waffe umgeht. Ich brauche daher keine eigene Ausbildung.“
Indessen erinnerte der Staatsanwalt noch an eine Besonderheit, die den Angeklagten betrifft: Dieser gelte in Österreich als gefährdet, da ihn eine in Deutschland lebende Tschetschenen-Familie für den Tod ihres Sohnes (dieser starb bei einem Gefecht im Kaukasus) verantwortlich mache. Daher drohe S. der Vollzug der Blutrache.

Die Geschworenen verurteilten S. am Donnerstagabend wegen terroristischer Vereinigung und versuchten Mordes als terroristische Straftat zu zehn Jahren Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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