Made in Vorarlberg

Zirbe, Holder, Vogelbeer: ein neues, g'höriges Limonaden-Projekt

Im Ländle haben zwei große Brauereien alte Gräben überwunden und machen gemeinsam neue und ganz feine Limonaden und Säfte mit ganz viel Herz und Heimatbezug.

Wenn es in einem kleinen Bundesland wie Vorarlberg gleich vier große Brauereien* gibt, kann man ermessen, dass die Konkurrenz heftig sein muss. Die schwappt von Seiten der Biertrinker bisweilen sogar rasch ins Emotionale, in einen wahren Bier-Lokalpatriotismus. Legendär sind die Scharmützel auf Festen und Social Media, ob etwa Fohrenburger oder Mohren das „g'hörigere" Bier sei. Mitgenährt wird das auch durch eine gewisse regionale Rivalität zwischen Unterländlern, Oberländlern und Wäldern.

Umso erstaunlicher ist's also, wenn sich Brauereien zusammentun und etwas Neues, Gemeinsames schaffen: diesfalls allerdings jugendfreie Limonade.

In einem Akt der „Brauer-Verständigung" schufen die Mohrenbrauerei, der 1834 gegründete Familienbetrieb mit älteren Wurzeln im 18. Jahrhundert in Dornbirn im Rheintal, und die 1902 gegründete Genossenschaftsbrauerei Frastanzer im gleichnamigen Walgau-Ort nun die Getränkemarke „Vo Üs" (Von uns). Der markante Dialektname soll die regionale Identität betonen, die Nutzung wenn möglich lokaler Zutaten, gewiss lokalen Gebirgswassers, eine „typisch Vorarlberger" Grundphilosophie und Wertehaltung - und dass man im Ländle auch über Gräben hinweg kooperieren und „schaffen" kann. Und das g'hörig!

Beim Bierle entstanden

„Die Sache fing Ende 2018 an, als Mohren-Geschäftsführer Thomas Pachole und Frastanzer-Chef Kurt Michelini irgendwo beim Bier zusammengestanden sind", erzählt Philipp Wüstner, Marketingleiter der gemeinsamen Vertriebsfirma „Vo Üs Vorarlberger Limo Werk" in Dornbirn. „Beim Bier entstehen ja oft die besten „G'schichten."

Pachole und Michelini sollen beim Bierle also über die Sache mit den Großkonzernen gebrütet haben, die immer mehr den globalen Getränkemarkt beherrschten, über in die Ferne abfließende Einnahmen, das Zurückdrängen bis Verschwinden regionaler Marken bzw. deren Einbindung in Konzerne. Und so, beim wievielten Bier auch immer, bahnte man einen Pakt an: Gemeinsam grad extra einen regionalen Weg zu gehen, mit Vorarlberger Identität und Regionalität als Basis.

Mohrenbrauerei/Marcel Hagen

Man kreierte seither etwa 20 Limonadensorten und Säfte, von denen das Gros bereits im Mai auf den Markt gekommen ist. Die übrigen sollen im Herbst folgen, darunter ein gespritzter Johannesbeersaft, Johannisbeernektar und Apfelspritzer/Apfelsaft, ausschließlich gemacht aus Äpfeln aus der Bodenseeregion, im wesentlichen also aus den großen, seenahen Obstanbaugebieten in Deutschland und der Schweiz.

Supermarktstart Anfang August

Noch verkauft man die neuen Getränke direkt bei den Brauereien in Dornbirn und Frastanz, in ausgewählten Bäckereien und Lebensmittelgeschäften sowie in der Gastronomie. Am 5. August, sagt Wüstner, werde man endlich in Supermärkten starten, vorerst bei Spar und bei Sutterlüty, der regionalen Kette mit dem eigenständigen Design und rund zwei Dutzend Standorten, die seit langem überaus betont auf Regionales setzt. Ob man künftig auch in den Rest Österreichs liefern wird, sei allerdings noch unklar, so Wüstner.

Vo Üs kommt aus Umweltschutzgründen fast nur in Mehrwegflaschen mehrerer Größen. Für größeren Bedarf gibt's Container mit höheren Füllmengen und Sirupe fürs Postmix-Verfahren. Plastikflaschen befülle man nur ausnahmsweise, sagt Wüstner (47), ein gebürtiger Lustenauer, der vor seiner neuen Tätigkeit bei Vo Üs zwei Jahrzehnte beim ORF Vorarlberg als Journalist und Radiomoderator gearbeitet hatte. Aber: „Die kommen nicht in den Handel, wir wollen dort kein Plastik. Wir geben sie nur aus, wenn gesetzlich vorgeschrieben ist, dass Getränke nicht in Glasflaschen verkauft werden dürfen, etwa bei Veranstaltungen."

Vo Üs

Die Abfüllung erfolgt nicht nur an den Braustandorten in Dornbirn und Frastanz, man hat sich dafür auch vorerst zwei Partner ins Boot geholt: nämlich den Fruchtsaftmacher Pfanner in Lauterach und die Getränkefirma „Arlberg" (bzw. Ganahl) in dem kleinen Dorf Stallehr bei Bludenz. Über die voraussichtliche Bepreisung in den Supermärkten konnte man nichts sagen. Der typische Preis für einen halben Liter Limo ab Brauerei sei derzeit 1,25 Euro, so Wüstner.

Vorbei an der Süßefalle.

Die »Presse am Sonntag« kostete einige der Limonaden. Was die Sorten betrifft, gibt es darunter Klassiker wie Zitrone Naturtrüb, eine klare Zitrone, Orange und Holunder. Es gibt sogar Cola-Varianten - aber als Trümpfe und innovatives Alleinstellungsmerkmal hat man ungewöhnliche Mixturen in der Hand: etwa Zirbe-Zitrone und Vogelbeer-Kirsch.

Vo Üs

Grundsätzlich fiel bei allen Getränken auf, dass sie einen sehr frischen Wasser-Grundton haben. Sie sind selten besonders süß, mäßig kohlensäurehaltig, aber keinesfalls schal. Überhaupt arbeite man mit „weniger Zucker", wie es in einem Prospekt heißt. Für die meisten Sorten stimmt das, sie kommen auf 6 bis 7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Zum Vergleich: Die Zitronen-Limetten-Limo „Sprite" enthält regulär 9 Gramm/100ml, Almdudler 8 bis 9 Gramm, Coca-Cola 10,6 Gramm Zucker.

In höhere Zuckerkategorien fallen bei Vo Üs naturgemäß die nicht-gespritzten Säfte, und bei den Limos dann doch etwa die „Orange" (8g/100ml) und „Zitrone" (10,5), während die Vo-Üs-Cola (für Ost-Ösi-Sprachspalter: Ja, man kann auch „das" Cola sagen) mit 11 Gramm interessanterweise Coca-Cola toppt.

Gsi-Berge am Etikett

Optisch machen die Flaschen und Etiketten etwas her, deren unaufdringliches, alemannisch nüchternes Design stammt von der Dornbirner Agentur „zurgams" und hat einen Preis eingefahren.

Ziemlich erhebend ist nicht zuletzt für Exil-Vorarlberger, dass jede Sorte am Etikett einen anderen schönen Gsi-Berg zeigt. Etwa den Hohen Ifen (2230 Meter) am Rand des Kleinwalsertales bei „Kräuter-Brennnessel", die Drei Schwestern (2053 m) im Rätikon beim Holunder, die schon von der Form her einzigartige Mittagsspitze (2095 m) im Bregenzerwaldgebirge beim Schiwasser, die Rote Wand (2704 m) im Lechquellengebirge bei Vogelbeer-Zitrone, und des Ländles höchsten Berg, den Piz Buin (3312 m) in der Silvretta, beim Cola.

Wolfgang Greber

Beim Verkosten stellten wir dann fest:

Zitrone naturtrüb

Geradezu by-the-book-mäßig, bestens gelungen, sehr frisch und überaus rund, wobei eine etwas betonter saure Spitze nicht schlechttäte. Feiner glatter Abgang, kaum Süße, kein pickiger Restzucker im Abgang, eine Spur mehr Kohlensäure wäre hier gut.

Holunder

Schlicht genial. Hat eine überraschend starke, umwerfende Holdernase, im Mund wieder nur mäßig süß, sehr frisch, klar, klarer Wasserton. Hier gelang die Kunst, die Süße-Falle vieler Holderlimos und -Säfte zu umgehen.

Orange

Nase mäßig orangig, eher wie Multivitamin-Brausetablette. Geschmack frisch, aber die Orange ist unterspielt, dafür mehr Mandarinen-Einschlag. Fein herb, aber es könnte durchaus fruchtiger sein. Hier sieht man irgendwie zu wenig Sonne. Braucht mehr von der Orange!

Cola

Wie Cola eben, ein gutes Mittelmaß, weniger moussierend als Coca Cola und weniger süß rein vom Geschmack her, obwohl der Zuckergehalt doch ein wenig höher ist. Vermutlich verdrängt das herrliche Vorarlberger Quellwasser den Zucker geschmacklich.

Spezi

Klassischer Geschmack. Wie eben ein Spezi, unauffällig, okay.

Vo Üs

Kräuter-Brennnessel

Da ist ein ganz leichter und löblicher Heu-Einschlag. Nicht so süß und „künstlich" im Abgang wie wie manch andere Kräuterlimos. Wird wohl ein Renner.

Zirbe-Zitrone

Die Nase erinnerte erst an ein verdünntes Schweppes Bitter Lemon, der Geschmack dann an einen Tick Grapefruit. Dennoch gut. Leichte Herbe. Sehr fein, aber an der Zirbe sollten sie nachjustieren, etwas mehr davon täte gut. Zirben gibt es übrigens in Vorarlberg praktisch nicht mehr. Man kaufe sie (bzw. die Zapfen oder aus ihnen gewonnen Geschmacksstoffe) in anderen Teilen Österreichs, sagt Vo-Üs-Marketingchef Wüstner. Dort sind diese Bäume mit dem aromatischen Holz und den Zapfen vor allem in Tirol, der Steiermark und Kärnten verbreitet.

Vogelbeer-Kirsch

Ganz gelungene Kirsche, nicht aufdringlich, nicht künstlich, dazu ein kurzer, herber, sogar fast bitterer Hauch auf der Zunge. Sehr okay.

Schiwasser Himbeer-Zitrone

Das haut einen schon von der Nase her gleich an den Pistenrand in den Liegestuhl bei Kaiserwetter. Wunderbare Himbeere, kräftige Zitrone, rund, klassisch, aber nicht zu altmodisch. Das winterliche Panorama der Silvretta oder des Rätikons entrollt sich vor dem geistigen Auge.

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Wie man hört, hat sich Vo Üs vor allem bei jungen Leuten in dieser kurzen Zeit schon als eine Art Kultgetränk etabliert. Es ist auch wirklich g'hörig g'machat und hat Zukunft.

Vo Üs

Vo Üs ist übrigens nicht die erste autochthone Limonade in Österreichs westlichstem Bundesland. Bekannt ist etwa „Diezano", eine Marke der Bludenzer Brauerei Fohrenburg, aktuell in den Varianten Zitrone, Orange, Cola, Cola-Mix und Tafelwasser. Sie wurzelt in einer Quelle ganz im Norden des Landes in Hörbranz, im Ortsteil Diezlings hart an der Grenze zu Bayern. Im 17. Jahrhundert hat ein Wirt die Quelle als Bad erschlossen, ein Gasthaus kam dazu, die Quelle wurde zum Heilbad.

1927 versetzte der damalige Wirt, Johann Füssinger, der kurz vorher eine zweite Quelle entdeckt hatte, das Wasser mit Zitronen- und Orangenextrakten, Zucker etc., und verkaufte es als Limonade. Marke und Betrieb wurden 1938 von Fohrenburger erworben.

Österreichs erste Cola-Abfüllung war im Ländle

Eine weitere noch existente Ländle-Limo ist etwa die erwähnte Marke „Arlberg" von Ganahl-Limonaden. Das Unternehmen hat Wurzeln als Getränkehandel Ende des 19. Jahrhunderts, und der Gründer, Heinrich Ganahl, schloss 1929 einen Abfüll- und Vertriebsvertrag mit der Coca Cola Company. Das war der erste dieser Art in Österreich! Coke hat also seine österreichischen Wurzeln just im Süden von Vorarlberg. Siehe hier.

Ganahl Getränke

In der Gemeinde Lingenau im nördlichen Bregenzerwald wiederum produziert die Getränkefirma Alfi seit Generationen Fremdmarken, und eigene Limonaden namens Alfi.

Die älteste noch existente Limonaden-Eigenmarke Vorarlbergs könnte indes jene der Brauerei Egg im Bregenzerwald sein. Gegründet 1894, braute man dort 1917 erstmals Limo. Und zwar notgedrungen, denn wegen des Kriegs blieben Rohstoffe für Bier aus, solche für Limonade, etwa Zucker, waren leichter zu kriegen. Die Egger-Limonaden firmieren heute auch als „Wälder-Limo", etwa Wälder Zitronenlimonade, Wälder Apfelspritzer und Wälder Cola.

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*Mohren in Dornbirn, Egger in Egg (Bregenzerwald), Fohrenburger in Bludenz, Frastanzer in Frastanz.

>>> Link zu „Vo Üs"

>>> „Vo Üs" auf Facebook

>>> Link zu Mohren

>>> Link zu Frastanzer

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