Die Kurzarbeit in der Coronakrise zeigt: Wenn der Einzelne weniger arbeitet, führt das zu einer niedrigeren Arbeitslosigkeit. Aber gilt das auch nach der Krise?
Arbeitszeit

Wie viel Arbeit darf es denn sein?

Die Coronapandemie heizt die alte Diskussion der Arbeitszeitverkürzung wieder an. Heuer werden die Österreicher um 425 Millionen Stunden weniger arbeiten.

Die Gäste in dem gut besuchten Wiener Innenstadtlokal werden schön langsam ungeduldig. Seit einer Viertelstunde sitzen sie im Schanigarten, aber von einem Kellner fehlt jede Spur. Endlich kommt er an den Tisch. „Sorry, wir sind in Kurzarbeit“, sagt er und nimmt die Bestellung auf. Vermutlich säßen die durstigen Gäste schon beim zweiten Glas. Das Beispiel zeigt: So wichtig das Kurzarbeitsmodell während des Lockdown war, so zweischneidig ist es jetzt und in Zukunft. Unternehmer müssen zwischen niedrigeren Lohnkosten und höheren Umsätzen abwägen.

Genau vor diesem Dilemma stehen auch Ökonomen, wenn es um die Fortführung der Kurzarbeit, ja gar um eine generelle Arbeitszeitverkürzung geht. Die volkswirtschaftlichen Implikationen sind komplex. Nur in einem Punkt sind sich die Experten einig. In der ersten Phase der Krise war die Kurzarbeit der wichtigste Faktor für eine Stabilisierung unserer Volkswirtschaft. Auch wenn der Preis in die Milliarden geht.

»„Kurzarbeit gibt den Anreiz, nicht jeden Auftrag anzunehmen.“«

„Kurzarbeit ist nur jetzt sinnvoll, nicht in guten Zeiten“, sagt Helmut Hofer, Arbeitsmarkt-Experte des IHS. Das Modell funktioniere für kurze Zeit, sagt er und verweist auf Studien, denen zufolge Kurzarbeit langfristig sogar negative Effekte hat. „Kurzarbeit gibt nämlich den Anreiz, nicht jeden Auftrag anzunehmen“, sagt Hofer. Womit wir wieder beim Beispiel mit dem Kellner wären. Auf Dauer bremst die Kurzarbeit demnach das Wirtschaftswachstum.

Wenn es nur so einfach wäre. Helmut Mahringer, Arbeitsmarkt-Experte des Wifo, geht zwar d'accord, dass Kurzarbeit kein Dauerzustand sein darf. „Der Unternehmer muss einen Anreiz haben, seine Mitarbeiter wieder voll zu beschäftigen“, sagt er. Und wie immer birgt das Wörtchen „Anreiz“ eine dezente Drohung. Denn es geht schlicht darum, Kurzarbeit mittelfristig für Unternehmer und Mitarbeiter unattraktiver zu machen. Bei der Finanzkrise sei die Kurzarbeit für Unternehmer bei Weitem nicht so attraktiv gewesen, erinnert Mahringer. Damals konnte die Arbeitszeit nur auf 40 Prozent (derzeit bis zu zehn Prozent) verringert werden. Der Staat schoss einen Beitrag in Höhe des Arbeitslosengeldes zu. Heute kostet ein Kurzarbeiter den Staat etwa doppelt so viel wie ein Arbeitsloser.

Dass Arbeitszeitverkürzung den Wohlstand mindert, diesen Satz würde Mahringer allerdings nicht so ohne Weiteres unterschreiben. Das Beispiel mit dem Kellner ist zwar anschaulich, aber dann doch etwas zu simpel. „Tatsächlich ist in Österreich die Arbeitszeitverkürzung voll im Gang“, sagt Mahringer und zückt die Lieblingswaffe des Ökonomen: eine Statistik.

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