Walk of Häme

Manieren in Coronazeiten

Oder: Warum Türeaufhalten schwierig ist und Ellenbeugen heikel sind.

Langsam, aber sicher, müssen Verhaltensweisen also dauerhaft angepasst werden. Da spricht man viel über Mund-Nasen-Schutz (das klingt irgendwie wirksamer als Maske), Mindestabstand und Händewaschen. Das wird uns noch länger begleiten, heißt es in diesem Kontext dann gern. Doch weniger thematisiert wird, was von dem, was wir Manieren nennen, nach und nach adaptiert werden muss und vor allem wie.

Begrüßungsrituale haben sich schon ziemlich verändert. Klar ist, Händegeben, Begrüßungsbussis und Umarmungen (bis vor kurzem die erste Visitenkarte der Kinderstube) sind verpönt. Was an deren Stelle tritt, ist noch unklar. Ellenbogenberührungen wirken gekünstelt und geraten oft ungelenk, dazu kommt, dass man neuerdings in die Armbeugen niesen und husten soll (galt bisher als ungehörig), wodurch dieser Körperbereich hygienisch belastet sein kann. Außerdem ist die Ellenbogenspitze empfindlich, ein misslungener Check kann sogar schmerzhaft werden.

Das Berühren der Fußspitzen schaut jedenfalls bei Jugendlichen sehr geschmeidig aus, setzt aber ein gutes Gleichgewicht voraus und muss unbedingt abgesprochen sein, sonst droht ein Tritt gegen das Schienbein der zu begrüßenden Person. Zwischen geschlossenen Schuhen und offenen Sandalen oder Flip-Flops kann so eine Begrüßung auch heikel sein. Also treten derzeit oft unbeholfene Verbeugungen nach asiatischem Muster kombiniert mit entschuldigendem Gemurmel an die Stelle lang eingeübter Begrüßungsrituale.

Eine andere Frage betrifft das Aufhalten von Türen. Hat man eine nachkommende Person bemerkt, galt es vor Corona als ungehörig, dieser die Tür vor der Nase zufallen zu lassen. Doch wie verhält man sich nun korrekt, da die Türe aufhalten und sich dabei nebeneinander ohne Mindestabstand durchzuquetschen nicht mehr in Frage kommt? Am besten wohl Blickkontakt suchen und mit einer entschuldigenden Geste sanft zufallen lassen. Das gilt wohl auch für Fahrstühle.

Auch das Überlassen von Sitzplätzen im öffentlichen Raum ohne vorherige Desinfektion birgt so manche ungelöste Frage, wie das Weiterreichen von Zeitungen, Speisekarten und Würzutensilien in Lokalen.

Immerhin kann man sich bei einem Fauxpas auf die Pandemie herausreden. Und Händewaschen kommt nicht nur vor dem Essen gut.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2020)

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