Leitartikel

Hebein ist der neue Strache

Der Wiener Bürgermeister warnte davor, dass ÖVP, Grüne und Neos gemeinsam Birgit Hebein zur Bürgermeisterin küren könnten.
Der Wiener Bürgermeister warnte davor, dass ÖVP, Grüne und Neos gemeinsam Birgit Hebein zur Bürgermeisterin küren könnten.(c) imago images / CHROMORANGE (CHROMORANGE / Weingartner)
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Der Wiener Bürgermeister warnt also vor einer Dirndl-Koalition nach der Wien-Wahl. Das Szenario ist zwar nicht rasend wahrscheinlich, aber, zugegeben, für die Grünen eine historische Versuchung.

Erinnern Sie sich noch an das Märchen von dem Buben, der immer rief: „Der Wolf kommt!“ So oft, bis ihm keiner mehr glaubte, als es dann so weit war? Die Wiener SPÖ hat sich die letzten Jahre ähnlich wie dieser Hirte aus der Kindergeschichte verhalten. Vor jedem Wahlkampf wurde das Duell um Wien ausgerufen – zuletzt mit dem Zusatz: jetzt aber wirklich. Und jedes Mal zeigte der Wahltag: Der Wolf, sprich Heinz-Christian Strache, kam nie gefährlich nahe.

Wenn also der Wiener Bürgermeister vergangene Woche in der „Presse am Sonntag“ davor warnte, dass ÖVP, Grüne und Neos gemeinsam Birgit Hebein zur Bürgermeisterin küren könnten, fällt das zunächst unter strategische Paranoia. Strache ist weg, also muss ein neuer Wolf her, der Wähler und Mitglieder aufschreckt, sprich „mobilisiert“. Denn die Umfragen tun das nicht. Michael Ludwig hat einen bequemen Vorsprung. Wie allen Regierenden kommt auch ihm der Krisenbonus zugute. Solang beim Corona-Management nichts arg daneben geht, läuft es gut für den Landespapa.

»„Wer hat Angst vor Birgit Hebein? Die SPÖ. Zumindest tut sie so als ob.“

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Der sich nach dem Wahlsonntag den Juniorpartner aussuchen kann. Vieles spricht für Rot-Grün III, auch wenn es die Grünen dank erwarteter Zugewinne nicht mehr so billig geben werden. Doch sie kommen die SPÖ günstiger als Türkis. Denn der ÖVP winkt Platz zwei, sie und nicht Strache (so er antreten darf) wird die meisten Ex-FPÖ-Stimmen einsammeln. Bei der ÖVP ist zudem fraglich, ob sie die Juniorrolle interessiert. Es stimmt schon, Ludwig kann gut mit Walter Ruck, dem Chef der Wiener Wirtschaftskammer. Und ja, auch Ludwig und Gernot Blümel verstünden sich: Beide sind ähnliche Politikertypen – kontrolliert, höflich –, die das Streiten lieber anderen überlassen, etwa Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) und Minister Karl Nehammer (ÖVP). Doch Türkis-Rot hieße auch, dass die Bundes-ÖVP ihr liebstes Demonstrationsobjekt verliert. Wohin würde man künftig zeigen, wenn man illustrieren will, was in der Republik nicht klappt – bei der Integration, beim Sozialen? Sitzt die ÖVP in Wien mit im Boot, fällt diese Strategie flach.

Doch wenn die SPÖ gar nicht an Bord wäre? Es ist unwahrscheinlich, aber sollte es sich ausgehen, wird die ÖVP wohl eine „Dirndl-Koalition“ versuchen. Sie wäre auch dumm, es nicht zu tun. Denn verliert die Sozialdemokratie Wien, ist das – ganz unpathetisch – ein Todesstoß. Die Kernfrage in dem Gedankenspiel ist freilich, ob Grün mitmacht. Das stehe nicht zur Diskussion, sagt Hebein. Tatsächlich könnte sie ihren Wählern schlecht erklären, dass ausgerechnet sie Blümel zum Stadtchef macht. Doch was, wenn die ÖVP ihr, wie Ludwig insinuiert, den Bürgermeistersessel hinrückt? Hebein mag in Interviews verträumt wirken, was dazu führt, dass sie notorisch unterschätzt wird. Aber die Grünen-Chefin ist nicht zimperlich. Das Bündnis mit der Ersten-Bezirk-ÖVP für eine (mehr oder weniger) „autofreie Innenstadt“ kommentierte sie im „Standard“ so: „Abgase haben keine Parteifarbe, die Maßnahmen dagegen auch nicht.“ Die Chance, die (erste!) Wiener Bürgermeisterin zu stellen, ist eine historische Versuchung. Für die könnten sogar die Grünen zum Wolf werden. Zumindest in der Theorie.

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