Machthaber Kim Jong-un berief in Pjöngjang eine Dringlichkeitssitzung wegen des vermeintlich ersten Coronafalls ein.
Erster Fall

Corona-Alarm in Nordkorea

Das nordkoreanische Regime bestätigt erstmals eine mögliche Covid-Infektion. Die offiziellen Staatsberichte sind möglicherweise ein Hilferuf an die internationale Gemeinschaft.

Peking/Pjöngjang. Nicht selten wird Nordkorea als das am stärksten abgeschottete Land der Welt betitelt. Dabei ist dessen Grenze zum chinesischen Festland überaus durchlässig: im Westen der Yalu-Fluss, im Osten der Tumen, dazwischen der heilige Berg Paektu. Auch wenn Peking seit der Jahrtausendwende einige Streckenabschnitte mit Stacheldrahtzäunen abgesichert hat, sind die über 1400 Kilometer unmöglich militärisch zu sichern. Dennoch scheint Corona bislang um den Norden der koreanischen Halbinsel einen weiten Bogen gemacht zu haben – zumindest laut den staatlichen Medien, die das Land für Covid-frei erklären.

Nun jedoch soll das Virus ausgerechnet über die südliche, praktisch dichte Grenze das Land infiltriert haben: Ein nordkoreanischer Flüchtling, der vor drei Jahren in den südlichen Brüderstaat geflohen ist, soll am 19. Juli illegal in seine Heimat zurückgekehrt sein. Dort soll er verdächtige Symptome gezeigt und sich einem ersten Virustest unterzogen haben. Machthaber Kim Jong-un hat laut der Nachrichtenagentur KCNA umgehend eine Krisensitzung des Politbüros einberufen, die historische Grenzstadt Kaesŏng abgesperrt und seine Bevölkerung auf das Schlimmste vorbereitet: „Jeder muss sich der Realität stellen, dass es sich um eine Notfallsituation handelt.“

Desolates Gesundheitssystem

Tatsächlich verfügt das bitterarme Land über ein katastrophales Gesundheitssystem. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichten regelmäßig in Hintergrundgesprächen von Spitälern, denen es an Grundlegendem fehle – von Antibiotika bis zu einem funktionierenden Wasseranschluss. Gleichzeitig jedoch ist das Regime mit seiner eingeschränkten Bewegungsfreiheit und der staatlichen Überwachung geradezu prädestiniert für flächendeckende Lockdowns.

„Da Nordkorea quasi unaufhörlich unter Epidemien leidet, haben die Menschen eine mentale Immunität gegen sie aufgebaut. Sie können quasi ohne große Angst mit ihnen umgehen. Dies gilt auch für Covid-19“, sagt eine nordkoreanische Übersiedlerin, die mittlerweile in Südkorea als Medizinerin arbeitet, der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Tatsächlich sind Virusausbrüche seit Jahrzehnten fast ein Dauerzustand in Nordkorea – von Masern, Cholera, Typhus bis hin zu Ebola.

Trotz anfänglicher Skepsis scheint der Corona-Alarm einen wahren Kern zu beinhalten. Am Sonntag hat das südkoreanische Militär bestätigt, dass man derzeit einen illegalen Grenzübertritt überprüfe. Dabei handelt es sich um einen 24-jährigen Mann, der vor drei Jahren nach Südkorea geflohen ist, indem er über das Delta des Han-Flusses geschwommen ist. Später soll er sich in Gimpo niedergelassen haben, einer Satellitenstadt von Seoul.

Mehr als 33.000 Nordkoreaner haben sich seit den großen Hungersnöten der 1990er-Jahre in Südkorea niedergelassen. Der Großteil wählt dabei jedoch die Fluchtroute über die chinesische Grenze. Übertritte über die verminte Demarkationslinie zwischen dem Norden und Süden sind aufgrund des massiven Militäraufgebots ganz selten.

Ebenso rar sind Fälle, in denen nordkoreanische Überläufer wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Zwischen 2016 und 2018 hat das südkoreanische Vereinigungsministerium neun Fälle gezählt. Oft handelt es sich dabei um Flüchtlinge, die sich im Süden hoch verschuldet haben oder gegen Lebensende noch einmal ihre Familie wiedersehen möchten. Diesmal jedoch scheint es sich um einen Gesetzesbrecher zu handeln: Laut südkoreanischen Medien stand der Geflüchtete wegen Verdachts auf Vergewaltigung unter Anklage.

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