Warum keiner über Sexismus in der Werbung reden will, man es aber trotzdem sollte. Spaß ohne.
Ist die Hirter-Werbung sexistisch oder nicht? Heute, Freitag, wird die Antwort des Werberats erwartet. Was man vorab sagen kann, ist, dass das Argument der Brauerei, man wolle Bier als Frauengetränk bewerben, naiv ist. Im besten Fall. Aber darum geht es nicht. Auch nicht um Hirter. Sondern um die alte, stets neu zu klärende Frage, was Werbung darf, und ob Produkte, die nichts mit nackten Körpern zu tun haben, mit solchen beworben werden sollen. Wollen wir, dass Bier mit Busen, Limonade mit Männerhintern verkauft wird? Klar, es passiert, aber finden wir es gut? Und wenn ja, gibt es Grenzen?
In einer idealen Welt würde man über Werbeklischees – und zwar nicht nur nackte – ohne Berechnung (Wiener Wahlkampf) und schrille Nebengeräusche (Ruf nach Verboten, Publicity fürs kritisierte Unternehmen) diskutieren, aber in der Realität braucht es einen Anlass. Der aktuelle ist, zugegeben, bieder-platt, aber reicht das, um den Diskurs schon vorab für tot zu erklären? Und zwar mit so schlauen Begründungen wie, dass die Plakate gemessen an der leider übersexualisierten Gesellschaft zu harmlos seien. Zuerst wird über die Generation Porno gejammert, dann wird sie zur Rechtfertigung. Hübsch. Und fast so praktisch wie das „Es gibt Wichtigeres“-Argument. Eh. Am skurrilsten sind jedoch die Seitenhiebe in den Online-Foren, wonach Kritikerinnen neidig, frustriert, hässlich und humorlos sind. Wie wahr. Denn wenn das so ist, wenn auch 2010 jede, die „Sexismus“ sagt – ob zu Recht oder Unrecht –, sofort verbal abgewatscht wird, müssen wir tatsächlich reden. Spaß ohne.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2010)