Konjunktur

Deutsche Ökonomen sehen Erholung

Auch der Export habe wieder angezogen.
Auch der Export habe wieder angezogen.(c) APA/EPA/KAY NIETFELD
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Ein schnellerer Aufschwung als bisher angenommen sei durchaus möglich. Für den Herbst wird allerdings mit einer Insolvenzwelle gerechnet.

Berlin. Die Konjunktur in Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner Österreichs, ist nach Auffassung von Volkswirten führender Finanzinstitute nach dem Corona-Einbruch auf Erholungskurs. Dennoch sei für diesen Herbst eine Insolvenzwelle zu erwarten.

„Die Frühindikatoren stimmen optimistisch“, sagte Marc Schattenberg von der Deutschen Bank. Das zweite Quartal, in das der Höhepunkt der Coronakrise fiel, sei überraschend robust verlaufen. Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe sagte mit Blick auf jüngste Indikatoren: „Die Rezession ist vorbei.“ Die deutsche Wirtschaft liege nicht mehr auf der Intensivstation. Die Lage bleibe aber kritisch, Rückschläge seien nicht auszuschließen.

Auch der Export habe wieder angezogen, die Ausfälle etwa im China-Geschäft seien nicht so groß wie befürchtet, sagte Schattenberg. Dennoch warnte er: „Im zweiten Halbjahr werden auch handelspolitische Risiken wieder in den Fokus rücken.“ Die Nachricht, dass ein ungeordneter Brexit nach Ende der Übergangsfrist Ende des Jahres wahrscheinlich sei, sei nicht gut, betonte er. Mit großer Unsicherheit werde die Entwicklung in den USA beobachtet, wo die Coronakrise mit besonderer Wucht Schaden anrichtet.

Kritik an Konjunkturpaket

Nach Ansicht des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel hat sich die Politik bei ihren Hilfen verzettelt. „Das Konjunkturprogramm hat 57 Positionen. Aus stabilisierungspolitischer Sicht ist es nicht zweckmäßig, weil es nicht dort ansetzt, wo die Unternehmen die größten Probleme haben“, urteilte der Leiter des Prognosezentrums am IfW, Stefan Kooths.

Sachgerecht wären aus Kooths Sicht vor allem Eigenkapitalhilfen in Form von Zuschüssen. „Jeder Monat ohne ausreichende Umsätze frisst sich ins Eigenkapital der Unternehmen.“ Dabei gebe es große Unterschiede. So sei die Bauwirtschaft wenig betroffen, Gastronomie oder Messebauer hingegen stark, und beim verarbeitenden Gewerbe einige Unternehmen gar nicht, andere enorm.

Kooths kritisierte, dass die Koalition etwa mit der Mehrwertsteuersenkung auf Anreize für den Massenkonsum setze. Denn tatsächlich gebe es Kaufkraft – zurückgestaut durch die Shutdown-Maßnahmen. „Die coronabedingte Zusatzersparnis beträgt rund 130 Milliarden Euro in diesem Jahr.“

Als Fehler kritisierte es der IfW-Konjunkturchef, dass die Anzeigepflicht für Insolvenzen bis September ausgesetzt wurde. Noch seien die Insolvenzzahlen auf sehr niedrigem Niveau. Die Unternehmen seien gut aufgestellt in die Krise gegangen. „Aber mit jedem Monat schwindet die Stabilität.“ Nun fehle der Seismograph für die Folgen und ein mögliches Abflauen der Krise. „Ab Oktober steht daher eine Insolvenzwelle zu befürchten.“ (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2020)

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