Nachruf

Kansai Yamamoto ist tot: Er schneiderte auch für Ziggy Stardust

Kansai Yamamoto 2017
Kansai Yamamoto 2017REUTERS
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Kansai Yamamoto revolutionierte mit grellen Farben und schrillen Formen Japans Modeindustrie.

„Meine Augen in die Vergangenheit gerichtet, gehe ich rückwärts in die Zukunft.“ Dieses Zitat stammt von Yamamoto. Allerdings von Yohji, jenem Modedesigner, der radikal auf Minimalismus setzt. Doch der hübsche Spruch passt kurioserweise auch auf das Schaffen des auf grelle Farben und skulpturale Schnitte setzenden Namensvetters Kansai Yamamoto. Dieser war in seinen Ideen stark vom traditionellen Kabuki-Theaters inspiriert, wo eine einzige Kleiderfalte unerwartete Wirkung erzielen kann.

Im Kabuki-Theater treten Männer auch in Frauenkleidern auf. Kein Wunder, dass der mit Androgynität flirtende David Bowie sich just für diese Mode interessierte, die der junge Yamamoto 1971 bei seiner ersten Modeschau in London zeigte. Bowie erwarb einige Stücke. Zwei Jahre später, die Figur des omnisexuellen Ziggy Stardust hatte er da schon ersonnen, lernten sich die beiden in New York kennen. Yamamoto war gleich von Bowies Gesicht fasziniert. „Es war ungewöhnlich. Er ist weder ein Mann noch eine Frau. Eine Aura von Fantasie umgibt ihn.“ Die beiden hatten auf persönlicher Ebene sofort einen Draht zueinander.

Bowie bestellte neun Bühnenoutfits

Und so bestellte Bowie für den letzten Teil seiner damaligen Welttournee neun Bühnenoutfits bei Yamamoto, die alle bis dahin verwendeten Designs verblassen ließen. Bowie bekam asymmetrische Bodysuits (ein Bein blieb nackt), Umhänge mit japanischen Kalligraphien und metallisch glänzende Ganzkörperkleider mit geometrischen Mustern geliefert. Und da war noch der weltberühmte „Tokyo Pop“ genannte Overall, dessen Beine so ausladend gearbeitet waren, dass sie beinah das Rund einer Schallplatte formten.

Yamamoto designte die Kostüme für Bowie, als wären sie für eine Frau gedacht. „Notice there is no zipper in front!“ kommentierte er dies genüsslich. Sein exzentrischer Kleidungsstil brachte ihn 1971 auch aufs Cover des Life-Magazin. Ein Fotograf hatte ihn anonym bei einem Gang durch die damals hippe King's Road geknipst, in der sich auch der von den Rolling Stones in „You Can't Always Get What You Want“ besungene Chelsea Drugstore situiert war, wo auch Hippie-Mode verkauft wurde.
Das von Mick Jagger beschriebene Gefühl, das kannte Yamamoto früh. 1944 in Yokohama geboren, hatte er einige Irrwege zu gehen, bevor ihn die Welt der Mode aufsog. Architekt wollte er werden, scheiterte aber. Seine Monumente baute er nach Lehrjahren bei Junko Koshino und Hisashi Hosono letztlich nicht aus Glas, Stahl und Beton, sondern aus Mikrofasern und Seide. Die in ihm angelegten Themen Retrofuturismus und Androgynität verfolgte er nach seiner Begegnung mit Bowie noch konsequenter.

1992 entwarf er überraschend seine letzte Kollektion. Dann verlegte er sich auf die Organisation sogenannter „Supershows“, die mit Musik, Tanz und Akrobatik lockten. Erstaunlich, dass er, der in der Mode konsequent im Gestus der Avantgarde verharrte, diese Shows recht konventionell anlegte. Seine exzentrische Mode war zuletzt in renommierten Museen wie dem Londoner V&A zu sehen. Wie erst heute bekannt wurde, ist dieser Pionier schon am 21. Juli an Leukämie gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2020)

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