Kolumne zum Tag

Armer, einsamer Zlatan: Selbstmitleid als PR-Masche

Serie A - AC Milan v Atalanta
Serie A - AC Milan v AtalantaREUTERS
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Die Inszenierung als einsamer, missachteter, verkannter Einzelkämpfer, der es „denen“ zeigt, ist bei Fußballprofis immer häufiger zu beobachten - und bedenklich, nicht nur für den Sport.

Das beste Tor, das ich je gesehen habe, fiel am 14. November 2012 beim Spiel zwischen Schweden und England in Stockholm. Nachspielzeit, 3:2 für Schweden, Goalie Joe Hart köpft einen Ball ungeschickt weg, und von halb rechts, aus circa 30 Metern Distanz, hebt Zlatan Ibrahimović ab und drischt den Ball per Fallrückzieher ins Netz (sein viertes Tor des Abends).
Ibrahimović ist zweifellos einer der besten, wenn nicht der beste Mittelstürmer der vergangenen zwei Jahrzehnte. Es belegt seine athletische Ausnahmestellung, dass er mit knapp 39 und nach einer schweren Knieverletzung noch immer die italienische Serie A aufmischt.

Umso befremdlicher finde ich jenes Filmchen, mit dem er seinen Zweiflern klarzumachen versucht, dass der AC Milan seinen Vertrag verlängern solle. „Niemand hat an mich geglaubt“, raunt er aus dem Off, untermalt von Elektromusikgewummer. Wirklich nicht? Seit 20 Jahren bewundert (oder zumindest fürchtet) ihn die gesamte Fußballwelt! Er ist ein Held für unzählige Jugendliche, und manch warme Semmel könnte sich glücklich schätzen, derart reißenden Absatz zu finden wie seine Trikots. Diese Inszenierung als einsamer, missachteter, verkannter Einzelkämpfer, der es „denen“ zeigt, ist bei Fußballprofis immer häufiger zu beobachten. Ich finde das sehr unangebracht. Denn ungeachtet seines fantastischen Talents und seiner bewundernswerten Arbeitsethik wäre „Ibra“ ohne ein komplexes unterstützendes soziales Umfeld nie zu dem Star geworden, der er ist: von Trainern über Physiotherapeuten und Ärzte sowie Medienberater bis hin zu den Dutzenden Mitspielern, die ihm bei jedem Klub den Rücken freihalten, damit er vorn brillieren kann.

Ist ja nur Fußball, mögen Sie nun kontern. Mitnichten. Fußballstars sind für Buben und junge Männer auch moralische Vorbilder. Ist es wünschenswert, ihnen mit auf den Weg zu geben, dass sogar im Teamsport Fußball nur das Ich zählt – und dass dieses Ich der Gesellschaft misstrauen muss, um Erfolg zu haben?

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