Für Zeiten wie diese

Ein lachender Herrscher wäre unmöglich gewesen

Masken verdecken Lächeln als auch finstere Mine
Masken verdecken Lächeln als auch finstere Mine(c) APA/AFP/STR (STR)
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Auf meinen Schulfotos stehen wir Volksschüler mit todernster Miene neben dem Klassen- und Religionslehrer.

Langsam gewöhnt man sich an den Anblick der Coronamasken. Dennoch vermisse ich eines: das Lächeln. Es ist ein Teil unserer Begegnungskultur. Bei Frauen wirkt es einladend, besonders wenn es von einem zweiten Signal begleitet wird, etwa dem kurzen Niederschlagen der Augen oder, wie bei Mona Lisa, einem Blick in die Ferne. Männer sollten mit dem Lächeln vorsichtig sein. Frauen können es als übergriffig empfinden – auch das Lächeln ist gegendert. Es ist auch kein universelles Ausdrucksmittel. In Japan habe ich öfter beobachtet, wie Klassenfotos gemacht wurden. Lachende Kinder setzten sofort eine ernste Miene auf, wenn sie fotografiert wurden. Danach taten sie fröhlich weiter. Auf meinen Schulfotos ist es genauso: Wir Volksschüler stehen todernst neben dem Klassen- und Religionslehrer.

Die Schule ist seither etwas unbeschwerter geworden. Überraschenderweise finden wir das Lächeln in der bildenden Kunst eher selten. Oft ist es den „einfachen Leuten“ vorbehalten, die in einer Art fröhlicher Beschränktheit porträtiert werden. Ein lachender Herrscher wäre unmöglich gewesen. Das ist heute nicht anders: Würdenträger blicken bei offiziellen Porträts ernst. Von den Büsten römischer Herrscher bis zum Porträt des Staatsmannes Heinz Fischer hat sich wenig geändert.

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