EU-Wettbewerbspolitik

Kampf gegen Digitalkonzerne: Neue Abfuhr für Vestager

Wettbewerbskommissarin Vestager bei der Ankündigung ihrer Untersuchung von Sprachassistenten.
Wettbewerbskommissarin Vestager bei der Ankündigung ihrer Untersuchung von Sprachassistenten. Stephanie Lecocq/Reuters
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Facebook bekommt von den Richtern in Luxemburg recht: Die EU-Kommission fordert zu viele persönliche Daten, ohne sie ausreichend zu schützen.

Der Stern von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist weiterhin im Sinken. Nachdem das Gericht der EU in Luxemburg vor zwei Wochen das wichtigste Urteil der Europäischen Kommission in Sachen Wettbewerbsverzerrung durch Steuerzuckerln an Konzerne kassiert und dem US-Riesen Apple recht gegeben hatte, gab es am Dienstag erneut schlechte Nachricht aus Luxemburg. Das Gericht erließ eine einstweilige Verfügung gegen die Aufforderung der Kommission an Facebook, Daten nach Brüssel zu liefern.

Die Begründung des vorsitzenden Richters, Marc van der Woude, ist politisch pikant. Die angeforderten Daten von Facebook „können unvermeidlich auch persönliche Informationen beinhalten“, weshalb es „wichtig ist, dass der vertrauliche Umgang mit solchen Informationen garantiert ist, vor allem dann, wenn diese Informationen auf den ersten Blick keinen Bezug zum Gegenstand der Untersuchung der Kommission haben“.

Kommission setzt auf Big Data

Wieso ist Kammerpräsident van der Woude um die Privatsphäre von Facebook-Managern besorgt, wo es doch um die Frage geht, ob es auf seinem 2016 eröffneten digitalen Marktplatz fairen Wettbewerb gibt?
Ganz einfach: weil die Kommission Big-Data-Technologie anwendet, um Wettbewerbsverstöße des Konzerns aufzuspüren. Rund 315.000 Dokumente im Umfang von 1,7 Millionen Seiten habe Facebook bereits im Rahmen dieses Verfahrens nach Brüssel geliefert, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. So viel Text kann klarerweise kein Mensch, nicht einmal die gesamte Belegschaft der Generaldirektion Wettbewerb in ihrem Sitz im Brüsseler Madou-Tower, händisch nach etwaigen Beweisen durchforsten.

Also werden die Daten maschinengelesen. Ein Computerprogramm kämmt die Dokumente nach rund 2500 Schlagwörtern durch: „Big question“ („große Frage“), „shut down“ („zusperren“) oder „not good for us“ („nicht gut für uns“) seien Beispiele dafür. Solche Suchbegriffe könnten sich auch in Mitarbeiterbewertungen, ihren Gesundheitsakten oder Bewerbungsunterlagen finden, zitiert Bloomberg News einen Experten für derartige Verfahren. Angesichts der privaten Informationen in solchen Dokumenten müsse die Kommission nun beweisen, dass sie einem entsprechend starken Datenschutz unterstellt sind.

Diesen Beweis vorbringen zu müssen verzögert ein weiteres Ermittlungsverfahren, das für Vestagers wettbewerbspolitische Agenda ebenso entscheidend ist wie der eingangs erwähnte Steuerfall Apples. Dürfen EU-Staaten Konzernen ihre Körperschaftsteuer auf im gesamten Binnenmarkt erzielte Gewinne großteils erlassen, um sie an den Standort zu binden? Das ist die Kernfrage im Apple-Fall, in dem es um 13 Milliarden Euro an Körperschaftsteuer geht, die Irland dem Konzern schenkte. Wie ist sichergestellt, dass Facebook seine Handelsplattform nicht missbraucht, um Konkurrenten schachmatt zu legen? Darum geht es im gegenständlichen Verfahren (ein wesensgleiches läuft gegen Amazon).

Neuer Konflikt naht - um das „Internet der Dinge"

Und schon naht der nächste große Konflikt Vestagers mit den Silicon-Valley-Konzernen. Nach ihrer Abfuhr im Apple-Fall (noch ist offen, ob sie beim Gerichtshof der EU berufen wird) kündigte Vestager an, Informationen von mehr als 400 Unternehmen anzufordern, die Sprachassistenten anbieten. Amazons Alexa, Apples Siri, der Google Assistant: Sorgen sie dafür, dass die Konzerne aus ihren enormen Sprachdatenmengen im Internet der Dinge unzulässige Marktmacht schöpfen? Auch diese Frage wird, über kurz oder lang, vor Luxemburger Richtern landen.

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