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Arbeitete das Verteidigungs­ministerium mit Kreml-Freunden zusammen?

Die Presse
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Laut einem Bericht des „Spiegels“ kooperierte das Verteidigungsressort mit einem Kreml-nahen Thinktank. In Wien relativiert man das.

Hat das Verteidigungsministerium in den vergangenen Jahren mit dem Kreml-nahen Thinktank Dialog of Cultures (DOC) kooperiert? Konnte Moskau auf diese Weise seine Netzwerke in der österreichischen Sicherheitspolitik ausbauen? „Nein“, heißt es in Wien. Eine Kooperation mit DOC habe es nie gegeben. Kontakt habe man mit dem Thinktank allerdings schon gehabt – in einzelnen Workshops und Studiengruppen.

Aber der Reihe nach: Spiegel Online berichtete am Mittwochnachmittag über die Netzwerke des Berliner DOC-Instituts, das von dem Putin-Vertrauten Wladimir Jakunin gegründet wurde. Im November 2017 organisierte eine Studiengruppe des Partnership for Peace Consortium (PfPC) eine Tagung in Reichenau an der Rax.

Das PfPC ist eine Organisation, die auf einem Nato-Gipfel gegründet wurde. Auch Österreich ist Mitglied. Das Verteidigungsministerium wirkte an der Studiengruppe mit und war bei der Tagung in Reichenau dabei. Auch eingeladen: das DOC-Institut. Das PfPC – eine klar transatlantisch orientierte Organisation – habe also genau genommen mit dem Thinktank kooperiert, nicht das Verteidigungsressort, entgegnet man in Wien. „Die Ebene ist bewusst keine diplomatisch-politische, sondern eine möglichst inklusive“, heißt es aus dem Verteidigungsressort. „Repräsentanten unterschiedlichster Institutionen quer durch die Gesellschaft sind dabei vertreten. Die Studiengruppe stellt dafür einen möglichst neutralen Rahmen für einen freien wissenschaftlichen Austausch zur Verfügung.“

Nach diesem Termin traf die Studiengruppe noch weitere viermal zusammen. Nämlich im April 2018 in Minsk, im November 2018 in Reichenau, im April 2019 in Berlin und im November 2019 abermals in Reichenau.

Netzwerk des Putin-Freundes

Das DOC-Institut war laut „Presse“-Informationen unter anderem durch (den mittlerweile verstorbenen) Peter Schulze vertreten. Der deutsche Politikwissenschafter trat in der Öffentlichkeit gern in der Rolle des Vertreters des russischen Standpunkts auf. Für das Verteidigungsministerium nahm laut „Presse"-Informationen ein hochrangiger Mitarbeiter des FPÖ-nahen Institutes für Sicherheitspolitik (ISP) teil, der namentlich der „Presse“ bekannt ist. Er legt Wert auf die Feststellung, dass er zu keinem Zeitpunkt ein Angehöriger des Verteidigungsministeriums war und seine Funktion als ISP-Mitarbeiter nichts mit seiner Teilnahme an der Tagung zu tun hatte. Mit DOC-Gründer Jakunin sei er nicht persönlich bekannt. Der „Presse“ liegt ein gemeinsames Foto vor.

Jakunin gilt als alter Freund des russischen Präsidenten, Wladimir Putin. Wie dieser war er für den KGB tätig und leitete später die Russischen Eisenbahnen RZD. 2015 gab er die Leitung des Staatsbetriebs überraschend ab. Gerüchten zufolge soll er in Korruptionsfälle verwickelt gewesen sein. Doch behördlich belangt wurde er nie. Seit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben engagiert er sich stärker in seinem Thinktank, den er schon 2003 gegründet hatte.

Mehrere Jahre war dieser unter dem sperrigen Namen World Public Forum Dialog of Civilizations in Wien ansässig. Als die Organisation im Jahr 2016 nach Berlin-Mitte umzog, benannte man sich in DOC um. Eigenen Angaben zufolge hat die Organisation heute Ableger in Brüssel, Wien, Paris, Moskau und Delhi. Alljährlich hält man auf der griechischen Insel Rhodos ein großes Forum ab, bei dem 2019 neben Jakunin und zahlreichen Firmenchefs unter anderem der österreichische Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer auftrat.

Im Hauptquartier in Berlin-Mitte organisiert man Vorträge und Konferenzen. Themen sind internationale Entwicklung, eurasische Integration und Politik in Russland sowie im postsowjetischen Raum. Für nennenswerte Forschungsergebnisse hat der Thinktank noch nicht gesorgt.

Hauptsächlich geht es um Vernetzung und um die Verbreitung einer Botschaft, die sich mit der des Kreml deckt. Russische Soft Power im völkerfreundlichen Gewand: So propagiert der DOC etwa den „globalen Dialog“ und eine multipolare Welt, wie sie auch von russischen Politikern gefordert wird. Meist wird damit im internationalen Zusammenhang eine Stärkung der russischen Position verfolgt. Fand dieser Ansatz im Verteidigungsministerium Gehör?

Sicher ist: Wenn das DOC honorige Partner wie die PfPC-Studiengruppe oder das Verteidigungsministerium finden kann, dann wertet das die Stellung eines wissenschaftlich eher schwachbrüstigen Instituts auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2020)

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