Vizerektorin: "Gießkannenprinzip gehört abgeschafft"

Giesskannenprinzip gehoert abgeschafft
Giesskannenprinzip gehoert abgeschafft(c) Webster Vienna
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Maria Regina Kecht, Vizerektorin der privaten Webster-Uni, spricht über Sexismus, erfolgversprechende Studierende und Monumente für Österreichs Forscher.

DiePresse.com: An den österreichischen Unis gibt es ab kommendem Semester eine Rektorin, davor gab es lange Zeit keine. In den USA ist das nicht so selten. Woran hakt es in Österreich?
Maria Regina Kecht: Sicher an vielen eingefahrenen Mustern. Ich glaube, es ist Sexismus vorhanden, den zwar sehr viele Leute, vor allem Männer, abstreiten. Aber die Tatsache, dass Frauen kaum in Führungspositionen sind, ist an den Universitäten eklatant. In den USA gibt es seit Jahrzehnten ein Gesetz von „affirmative action“. Bei gleicher Qualifikation müssen Frauen oder auch Minderheiten eingestellt werden. Mit der grundsätzlichen Einstellung, dass jedes Team, das bunter gemischt ist, innovativer und dynamischer ist. Da sind die Amerikaner kühle Pragmatiker. Wenn für sie die Rechnung aufgeht, dann braucht es nicht viel Überredungskraft. 

In Österreich wird immer wieder die Einführung von Frauenquoten diskutiert. Was die Uni-Gremien betrifft, gibt es diese ja schon. Sind Quoten die Lösung? 
Kecht: Ich glaube, dass eine gesetzliche Quotenregelung die Ausgangsbasis sein muss, um Leute zum Umdenken zu bringen. Die Frage ist, in welchen und in wie vielen Fällen kommt es tatsächlich zu sogenannten Quotenfrauen. Aber selbst mit diesem Manko ist es sicher der viel bessere Zugang, als einfach den Männerklüngeln abzunehmen, dass es keine qualifizierten Frauen gibt.

Zu Studiengebühren: In den USA werden Unsummen diskutiert, ohne mit der Wimper zu zucken. In Österreich diskutiert man über 367 Euro pro Semester. Finden Sie die Debatte überzogen?
Kecht: Ich finde sie vollkommen überzogen. Ich bin verblüfft, wie viele junge Leute mit Autos herumfahren, jährlich in den Urlaub fahren und es dann wagen, sich über diese nicht einmal 400 Euro aufzuregen. Man soll sich einmal vor Augen führen, wie viel ein Studium kostet. Das kann gar nicht nur aus Steuergeldern kommen. Dann ist auch die Frage: Was ist ein Studium wert? Willst du ein Studium, das dich für den internationalen Markt attraktiv macht? Irgenwann wird es in Österreich keine A- und B-Posten mehr geben. Das wird dann kein Kriterium mehr sein, warum man einen akademischen Abschluss will. Da muss noch viel Umdenken stattfinden Was nicht sein muss, ist, dass man 50.000 Dollar pro Studienjahr zahlen muss, wie es in den USA sein kann. Aber irgendwo zwischen den 367 Euro und 50.000 Dollar muss ein Mittelweg gefunden werden.

Serie: Die Zukunft der Unis

Gesprächspartner aus dem Uni-Sektor haben in der DiePresse.com-Serie ihre Visionen für die österreichischen Universitäten skizziert. Alle Gespräche zum Nachlesen.

In Österreich gibt es nach wie vor ein Bekenntnis zum freien Hochschulzugang. Finden Sie, dass das etwas ist, was wert ist, es aufrechtzuerhalten?
Kecht: Ich finde, dass alle, die die Fähigkeit haben, die Studienfähigkeit nachweisen, die Berechtigung haben sollen, die nächste Stufe zu machen. Aber ich bin auch dafür, dass sich Universitäten aussuchen können, wen sie haben wollen. Denn dass das Studium in Amerika so fantastisch funktioniert, hängt damit zusammen, dass sich die Universitäten aussuchen können, wer für ihr Programm am erfolgversprechendsten ist. Je besser die Absolventen sind, um so größere Karrieren. Diese Karrieren sind wieder Aushängeschild für die Universität und wenn sie in ihrer Laufbahn auch viel Geld verdienen, geben sie etwas von diesem Geld vielleicht wieder an die Universität zurück. Das ist ein Zirkel, der eine Rentabilität schon in der Auswahl der Studierenden begründet sieht.

In Österreich wird in manchen Studienrichtungen bereits selektiert: Durch einen Multiple-Choice-Test am Anfang des Semesters.
Kecht: Das finde ich nicht ideal. Das ist offensichtlich eine Notlösung. Was sagen diese Tests über die Kompetenz eines jungen Menschen, Arzt zu werden? Da sollte man sich was anderes einfallen lassen. In den USA ist ein Test nur einer von vielen Faktoren, die in die Auswahl reinkommen, um für die Universitäten die Mischung von Studierenden zu bekommen, die zum spezifischen Uni-Profil passt. In Österreich müsste man sich erst einmal trauen, zu sagen, die Universität XY hat ein Profil, und wir erlauben ihr, dieses Profil zu schärfen und entsprechend StudentInnen zu rekrutieren.

Ein eigenes Profil wird mit dem UG 2002 von den Universitäten erwartet. Nur, ihre Studenten können sie sich nicht aussuchen.
Kecht: Das gehört zur Profilschaffung dazu. Die Unis sollten letztlich auch durch ihre StudienabgängerInnen konkurrieren.

A propos Konkurrenz: Bei internationalen Rankings hinkt Österreich immer hinten nach. Was fehlt ihnen, um in Exzellenzkategorien zu landen?
Kecht: Ein Faktor ist sicher die Ausuferung von Studentenzahlen. Und auch die katastrophale Hierarchisierung, die Unterscheidung zwischen Professoren und Mittelbau. Da gibt es viel Frustration unter den Lehrenden, was vielleicht das Engagement minimiert. Aber sicher die Korrelation Lehrende-Studierende in nicht unbedingt state-of-the-art ausgestatteten Gebäuden, völlig unterfinanzierte Bibliotheken. Man müsste jeder Forscherin und jedem Forscher in Österreich ein Monument setzen, dass sie trotz dieser Umstände und Missstände tolle Forschung aufs Tapet bringen.

Wie soll der Hochschulsektor in zehn Jahren aussehen?
Kecht: Wesentlich mehr Geld müsste in Bildung gesteckt werden. Als Entscheidung: Wie viel sind wir bereit, für die Zukunft des Landes auszugeben. Wenn die vorhandenen guten Institute mehr Unterstützung bekämen, würde das auch die Schärfung des Profils an den Universitäten erlauben. Damit einhergehend müssten Zugangskriterien erarbeitet werden, die nicht nur Multiple-Choice-Tests sind. Dann könnte man auch entscheiden, welche Studierenden gehen von unseren Unis hinaus, mit Abschlüssen, die zu guten Jobs führen und zu tollen Karrieren. Und ich glaube, mit dem Bachelor wird noch das große Umdenken kommen müssen. Es dauert wohl mindestens eine Generation, bis die Leute wissen, was ein Bachelor überhaupt für die Wirtschaft bedeuten kann.

Von welchen Faktoren hängt die Zukunft des Hochschulsektors am stärksten ab? Bessere Studienanfänger, mehr Geld, straffere Lehrprogramme, bessere Verteilung der Ressourcen, mehr Wettbewerb?
Kecht: Ich glaube, eine Auswahl der Studienanfänger ist ein wichtiger Faktor. Wie viele studieren nur aus Verlegenheit und nicht aus Passion? Viel mehr Ressourcen. Und dann eben eine Verteilung, die konzeptionell begründet ist und nicht einfach in irgendeinem Gießkannenprinzip. Man muss sich überlegen: An welchen Unis sollten welche Fächer angeboten werden, welche Fächer sollten gar nicht angeboten werden. Und dann wesentlich mehr internationale Konkurrenz in der Rekrutierung der Lehrenden.

Zur Person

Maria Regina Kecht, Jahrgang 1955, tritt im August das Amt als Academic Director (Vizerektorin) an der privaten Webster-University in Wien an. Die gebürtige Tirolerin studierte Germanistik und Slawistik in Innsbruck. Seit ihrer Promotion 1981 war sie in den USA tätig, wo sie an verschiedenen öffentlichen und privaten Universitäten lehrte, darunter an der elitären Rice University in Houston.

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