Das Weinviertel, eine nostalgische Sehnsuchtsgegend

Zwei neue Bücher entführen uns erst in die Kellergassen, dann in verlassene, längst geschlossene Kinos.

Erich Pello durchstreift seine Wahlheimat, das westliche Weinviertel, immer auf der Suche nach Wissenswertem über sein Lieblingsthema: den Wein und seine Kultur. Er besucht Weingüter im Pulkautal und im Retzer Land, am Fuß des Manhartsbergs und im Schmidatal. Und er hat Erfahrungen mit dem Lehmbau gemacht, einer uralten Bau-Kulturtechnik, die er im Pulkautal kennen- und schätzen gelernt hat. Er fand Spezialisten dafür und baute mit Begeisterung.

Zusammen mit den Weinbaufamilien stöbert er in Erinnerungen, lässt sich über Schwierigkeiten und Erfolge im Weinberg und Keller berichten. Es ist spannend, welch unterschiedliche Wege hier beschritten werden, um hohe Qualität und Unverwechselbarkeit der Weine zu erreichen. Neue Rebsorten und alte Klone, naturnahe Pflege der Weingärten, modernste Kellertechnik und Rückgriff auf fast schon vergessene Methoden gehören zum Repertoire. Wir verfolgen den Produktionsablauf vom Traubensaft über den Sturm, den Staubigen, die Fassproben bis zum Flaschenwein. Allein der komplizierte Pressvorgang hat seinerzeit an die zehn Stunden gedauert.

Haugsdorf, Hadres, Mailberg mit dem altehrwürdigen barocken Malteser-Schloss, das ebenso prächtige Schloss in der Gemeinde Seefeld-Kadolz – und überall die einfachen Kellergassen, die einmal im Jahr auch den Städtern offenstehen.

Der Band ist reich illustriert mit historischen Abbildungen und aktuellen Fotos des Autors. Weniger geglückt erscheint die kurze Einleitung Peter Turrinis, die wohl eher dem klingenden Namen als dem poetischen Gehalt des Texts geschuldet war. Da schreibt Pello besser . . .


Nostalgischer gehen es Karl und Martin Zellhofer an. Sie besuchten Kinos im Weinviertel bzw. das, was davon übrig blieb: Ruinen, verwahrloste Kinosäle, schimmliges Zubehör, reif für den Abriss. In den Jahren vor der Ära des Fernsehens existierten hundert Kinos in 27 Gemeinden, im Vergleich gibt es heute nur noch fünf Spielstätten. „In zehn Jahren wird von den alten Kinogebäuden nichts mehr vorhanden sein, wir haben fast ein bisschen zu spät mit den Recherchen begonnen“, so der Autor Karl Zellhofer. Vater und Sohn fanden zugesperrte Kinos, in denen noch Filmprogramme, Werbedias und Filmreste vorhanden sind. Sie entdeckten Projektoren, Werkzeuge des Operateurs, Leinwände, Preistafeln und Kinopläne. Säle, die – obwohl 30 Jahre geschlossen – immer noch vollständig bestuhlt sind.

Dieses Bilderbuch macht erst so richtig deutlich, welch immense Bedeutung das Kino einst vor allem auf dem Land gehabt hat: als Freizeittreffpunkt, Ort der Ablenkung, Freiraum, Tor zur weiten Welt und auch als Rückzugszone für Verliebte. „Die Zeitzeugen erzählen auch Kurioses: Es gab Kinos, in denen die Besucher den Ofen im Saal während der Vorstellung selbst heizen mussten. Bei Westernfilmen ging es oft so hoch her, dass der Operateur drohte, den Film abzubrechen. Je heftiger die Kritik des örtlichen Pfarrers gegen einen Film, desto interessanter erschien er den Jugendlichen.“ Als Beispiel mag die Programmvorschau des Kinos in Leobendorf 1963 dienen: „Schwarzwälder Kirsch“, „König der Seeräuber“, „Wenn Lola nicht gesungen hätte“, „Fähre nach Hongkong“ usw.

Erich Pello:
„Weinparadies westliches Weinviertel“

Karl und Martin Zellhofer:
„Verschwundene Kinos im Weinviertel“

Edition Winkler-Hermaden,
jeder Band 21,90 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2020)

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