Morgenglosse

Kroatisches Urlaubseigentor

Kroatien lässt US-Bürger einreisen - anders als der Rest der EU
Kroatien lässt US-Bürger einreisen - anders als der Rest der EUREUTERS
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Kaum ist der eigene EU-Vorsitz vorüber, pfeift die kroatische Regierung auf die Einhaltung europäischer Abmachungen und lässt US-Touristen ins Land. Ein weiterer Beleg für die innere Schwäche der EU - und ein Selbstfaller Zagrebs auf dem Weg in den Schengenraum.

Eins vorweg: die EU-Liste von Drittstaaten, deren Bürger in die Union einreisen dürfen, weil sie vorläufig die Corona-Pandemie relativ im Griff haben, ist kein Meilenstein des europäischen Einigungswerks. Eine bloße Empfehlung des Rates, also der nationalen Regierungen, an sich selbst, ohne Sanktion: dafür, dass der Grenzschutz und die öffentliche Gesundheit zu den höchsten Gütern jedes Staates auf der Welt zählen, hätte man sich als europäischer Bürger ein konsequenteres Verfahren für die Frage gewünscht, wann sich die Union dem Rest der Welt wieder öffnen kann.

Doch einen wesentliche Zweck erfüllt diese Liste, die von den EU-Botschaftern in Brüssel am Donnerstag um Algerien verkürzt wurde: sie klärt, was das äußerst Mögliche an Öffnung ist. Zwar nicht rechtlich verbindlich. Aber im stillen Einverständnis, dass kein EU-Mitglied - und schon gar keines, das dem Schengenraum beizutreten begehrt - über diese elf Drittstaaten hinausgeht. Eine Art Gentlemen's Agreement unter nationalen Regierungen: auf dieser Basis funktioniert die EU, so schafft sie den Kitt ihres Zusammenhaltes, nämlich das gegenseitige Vertrauen. Wenn in der EU damit begonnen wird, von Drohungen und Sanktionen zu reden, ist die Milch bereits verschüttet.

Insofern ist die Entscheidung Kroatiens, eigenmächtig und ohne vorherige Information der anderen die Grenzen für US-Touristen zu öffnen, ein schweres Foul. Klar, dass eine Volkswirtschaft, die zu rund 25 Prozent aus Fremdenverkehr besteht, in dieser enormen Rezession jeden Feriengast braucht. Doch um welchen politischen Preis? Die Regierung unter dem Christdemokraten Andrej Plenković hat sich damit gleich dreifach geschadet.

Erstens ist ein Gutteil des Vertrauensvorschusses perdu, den die Kroaten bei den anderen 26 nach ihrer soeben erst ziemlich professionell absolvierten ersten EU-Ratspräsidentschaft eingeheimst haben.

Zweitens werden sich die anderen Regierungen an dieses kroatisches Solo erinnern, wenn im Rat wieder die Frage erörtert, wann das Land der Schengenzone beitreten darf. Aktueller Tipp: nicht so bald.

Drittens hat Plenković' Regierung die nicht überwundene innere Schwäche der Union offengelegt. All das Gejubel nach dem EU-Budgetgipfel vor zwei Wochen, all das Gerede davon, dass Europa geeint der Krise entgegentrete: Was ist das wert, wenn ein Mitgliedstaat für ein paar Hundert oder Tausend amerikanische Touristen mühsam errungene Abkommen in den Wind schießt? Eine geschwächte, uneinige Union jedoch bekommen die kleinen Mitgliedstaaten besonders stark zu spüren - und nicht zu ihrem Vorteil.

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