Die Künstlerin: „Österreichs Seele kommt aus dem Osten“

Kuenstlerin bdquooesterreichs Seele kommt
Kuenstlerin bdquooesterreichs Seele kommt(c) Die Presse
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Große Liebe und Grüner Veltliner: Die gebürtige Polin Monika Uhler will nie wieder weg.

Zwischen Gummistiefeln und Edelstahltanks lagern die Weinkisten von Monika und Peter Uhler im Keller eines Grinzinger Blockhauses. Von den kleinen Fenstern im oberen Stock sieht man auf ein Stück jener zwei Hektar eigenen hügeligen Lands, auf denen gerade – neben anderen Sorten – Riesling, Gelber Muskateller und Grüner Veltliner für den heurigen Jahrgang reifen. 3000 Flaschen verkaufen sie jährlich, es ist mehr Passion als typischer Nebenerwerb – und ein scharfes Kontrastprogramm zum Brotjob der Uhlers: Beide sind Primgeiger beim Radio Symphonie Orchester Wien. Im Weinbau sind die Rollen indes klar aufgeteilt: Im Keller spielt Peter Uhler die erste Geige, im Garten hilft auch Monika aus.

Heute kann sich die 37-Jährige nicht mehr vorstellen, an einem anderen Ort als in dem Grinzinger Blockhaus zu leben. Nur ein paar Monate im Winter ziehen sie und ihre Familie in die Wohnung in der City: „Es ist wegen der geschotterten Feldwege, die zum Haus führen. Bei Eis und Schnee ist das mit der Zeit zu umständlich, wenn man berufstätig ist.“ Ein Leben in Warschau, wo sie das Konzertfach Geige studiert hat, und wo eine Karriere als Solistin auf sie wartete, kann sie sich dagegen „überhaupt nicht mehr“ vorstellen. Zu eng sei ihr die polnische Hauptstadt geworden – und zu provinziell, nachdem sie 2003 ihr postgraduales Studium in Kammermusik in Wien begonnen und erlebt hat, „wie lebendig diese Stadt ist und wie viel hier immer los ist. Da tut sich immer etwas. Weltklassekonzerte sind an der Tagesordnung. Österreich hat hier eine ganz besondere Stellung.“

„Alle sagen immer: ,Wow, Wien!‘“

Immer wenn sie bei ihren raren Besuchen in Polen von ihrer neuen Heimat erzählt, sei die Reaktion ähnlich: „Alle sagen immer nur: ,Wow, Wien!‘“ Sie selbst empfindet es – immer noch – genauso.

Als sie hier ankam, sprach Uhler kein Wort Deutsch, erst als sie zwei Jahre später das Probespielen für das Radio Symphonieorchester gewann, sagte sie sich, dass sie das nun endlich ändern müsste. Gelungen ist ihr das schließlich mithilfe ihrer großen Liebe, die sie im Orchester fand, ihrem heutigen Ehemann. Der weihte sie auch in die bis dahin unergründlichen Sphären des Wiener Schmähs ein: „Ich habe ja lange Zeit nie mitgekriegt, warum plötzlich alle lachen. Da alle Feinheiten zu verstehen fällt mir auch heute nicht so leicht.“ Die Wiener, sagt die 37-Jährige, seien ihr entgegen dem gängigen Klischee, aber „immer sehr hilfsbereit und freundlich“ begegnet.

Skifahren gehört einfach dazu

Den sprichwörtlichen Grant könne sie an den Österreichern ohnehin nicht erkennen, vielmehr eine Herzlichkeit und Wärme, die sie an ihr Heimatland erinnere, „sie haben eine eigene Art, die man schwer erklären kann“. Geografisch verorten lässt sich die hiesige Mentalität Uhler zufolge sehr wohl: „Die Seele Österreichs kommt aus dem Osten. Österreicher sind wie die Tschechen, Slowaken oder Ungarn. Ganz anders als die Deutschen. Da gibt es außer der Sprache wenig Gemeinsamkeiten.“

Bereut habe sie die Entscheidung, Polen zu verlassen, nie: „Mein Leben ist so spannend, ich würde nichts ändern wollen“, gerät Uhler ins Schwärmen. Nur ihre Familie, die im Norden Polens lebt, vermisse sie. Mit ihrer zweijährigen Tochter Cäcilia werden die Uhlers deshalb im August auch das erste Mal nach Polen reisen. Was ihr zum echten Heimat- und Dazugehörigkeitsgefühl noch fehle, sei nur eines: das Skifahren. Spätestens wenn Tochter Cäcilia so weit ist, wird sich deshalb auch Monika Uhler erstmals auf Skier begeben: „Obwohl ich schon Angst davor habe. Aber was soll ich sagen? Das gehört wohl einfach dazu.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2010)

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