Zoologie

Freigänger im Tiergarten: Mit App auf Krähen-Suche

(c) DANIEL ZUPANC
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Im Tiergarten Schönbrunn helfen Besucher über eine App mit, das Leben von Krähen zu erforschen: Tausende Sichtung zeigen, welches Futter und welche Tiere Krähen bevorzugen.

Wer durch den Tiergarten Schönbrunn spaziert, kann nicht nur die Tiere in den Gehegen bewundern, sondern auch „Freigänger“, also Eidechsen, Spatzen und Insekten, die das Areal als Lebensraum nutzen. Besonders auffällig sind die Krähen, die im Tiergarten seit Jahrzehnten eine stabile Population haben und sich an Essensresten der Menschen und Tiere laben.

Verhaltensforscher der Uni Wien haben nun – unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF – eine groß angelegte Suche nach den Krähen und ihren Verhaltensweisen gestartet: Mithilfe der Zoobesucherinnen und -besucher sollen Tausende Vogelsichtungen festgehalten werden, um das Leben der Singvögel besser zu verstehen.

Große Singvögel

Ja, Krähen gehören zu den Singvögeln, und nein, die schwarzen Exemplare sind keine Raben, sondern Rabenkrähen oder Saatkrähen. Die Einteilung der Krähen in ihre Arten und Unterarten ist sogar unter Ornithologen umstritten: Sowohl die grau gescheckte Nebelkrähe als auch die schwarze Rabenkrähe gehören zur Gruppe der Aaskrähen. Dazu tauchen in den Wintermonaten auch viele schwarze Saatkrähen auf, die nur noch selten in Wien brüten, sondern als Wintergäste durchziehen. Um einen Überblick über all ihre Lebensräume zu bekommen, hat das Team des Tiergartens mit den Uni-Wien-Forschern und App-Entwicklern der Firma Spotteron „KraMobil“ ins Leben gerufen. Die Gratis-App für das Handy und Tablet kann jeder installieren, der der Wissenschaft helfen will. Jede Sichtung einer Krähe im Areal des Tiergartens oder darüber hinaus wird mit Beschreibung und Foto festgehalten. So lieferten die Zoobesucher mit KraMobil seit Juni bereits über 1200 neue Informationen.

„An der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau im Almtal haben wir bereits gute Erfahrungen mit Apps und Citizen Science gesammelt, wobei es um Sichtungen von Graugänsen im Cumberland-Wildpark und von Waldrappen in der Umgebung ging“, sagt Didone Frigerio, die mit Thomas Bugnyar vom Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie das aktuelle Projekt leitet.

In diesem stehen ökologische Einflüsse im Fokus, die auf die Krähen wirken: Wie verändert sich die Gruppendynamik bei Futtermangel oder Überfluss? Mit welchen Zootieren interagieren die Krähen intensiver, bei welchen halten sie Abstand? „Die meisten Raubtiergehege sind ohnehin rundum verschlossen, aber für Vögel zugängliche wie das Eisbär- oder Wolfgelände ziehen Krähen an. Denn dort gibt es proteinreiches Futter, also Fleischreste. Wir werten nun aus, ob die Qualität des Futters die Gruppengröße der Krähen beeinflusst: Riskieren sie für ein Stück Fleisch mehr als für Rote Rüben und Salat bei den Pekari-Nabelschweinen?“, erklärt Frigerio.

Freche Krähen im Zoo

„Aus bisherigen Sichtungen wissen wir, dass die Krähen relativ frech sind, sich also viel trauen“, sagt Paulus Leidinger, der die KraMobil-App wissenschaftlich betreut. Auch wenn es bereits Vorstudien über das Sozialleben der Krähen im Zoo gibt, bei denen circa 350 Tiere individuell markiert wurden, können nun viel größere Datenmengen erhoben werden. Zwar nicht auf das Individuum heruntergebrochen, aber auf die Art und Unterart.

Wer kennt die Fütterzeiten?

Welche Vögel kommen zu welcher Uhrzeit in den Zoo, welche Arten kennen die Zeiten der großen Fütterungen und warten gespannt auf Futterreste, welche Arten sind zu welcher Jahreszeit aktiver, an welchen Stellen sammeln sich die Tiere zusammen und wo fliegen sie lieber allein hin? „Die App-Nutzer können bei jeder Sichtung angeben, ob die Krähe mit Nahrungsaufnahme, Ruhen, Gefiederpflege, Aggression oder Zuneigung beschäftigt war oder mit Sonstigem wie Rufen“, sagt Leidinger.

Dass unter den Nutzern monatlich eine Tiergarten-Jahreskarte verlost wird, ist für manche weniger der Anreiz, als der Wissenschaft gute Daten zu liefern. „Wir bekommen nun erstmals auf breiter Basis Aktivitäts- und Verhaltensdaten der Krähen. Falls der Citizen-Science-Ansatz wie erhofft funktioniert, können wir besser verstehen, wie Krähen den Zoo nutzen und inwieweit Krähen sich hier anders verhalten als im umliegenden Stadtgebiet bzw. im ländlichen Raum“, sagt Thomas Bugnyar.

IN ZAHLEN

10.000 Sichtungen von Krähen im Tiergarten Schönbrunn erhoffen sich die Forscher von der App „KraMobil“, mit der Zoobesucher die großen Vögel fotografieren und melden können.

20 Sichtungen pro Tag wurden im Juli durchschnittlich gemeldet. Das Projekt sammelt die Daten bis Ende 2021. Durch die Coronabeschränkungen waren nun weniger Besucher im Tiergarten, zudem sind große Showfütterungen weggefallen, die normalerweise viele Krähen anlocken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2020)

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