Gastbeitrag

Hochgezüchtete Rackets

Der DAX-Konzern Wirecard ist also pleite. Die haben doch glatt die Bilanzen gefälscht. Wer hätte so etwas gedacht?

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Ein Angeber ist einer, der angibt, was es nicht gibt. Markus Braun und Jan Marsalek waren Angeber der besonderen Sorte. Man will sich gar nicht vorstellen, wie sie in München gelacht haben ob der Finten, die ihnen da in den vergangenen Jahren so viel Zufluss und Zuspruch bescherten. Und sie lizitierten sich immer höher. Größe wird zu einer Frage des Größenwahns. Zu Milliarden haben solche Leute ein ganz entspanntes Verhältnis, jene sind entweder erfunden oder verschwunden. Die schönsten Bilanzen sind die frisierten. Dort, wo nichts ist, aber behauptet werden kann, dass dieses Nichts nicht sei, wird das Nichts zu einer übermächtigen Größe. Volatiles wird veritabel.

Es ist nicht auszuschließen, dass Braun und Marsalek selbst an die fiktiven Unsummen glaubten, nachdem sie erleben durften, was mit ihnen nicht alles anzustellen ist. Wenn man sieht, was so alles reingeht, muss eins wohl irre werden. Es ist anzunehmen, dass sie auch Opfer dieser Dynamik geworden sind. Der „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) folgte freilich die Zerstörung der Schöpfer.

Aktuell konsumieren wir gerade eine Finanzaffäre wirklichen Formats, angeblich den größten Betrugsfall, den das arme Deutschland seit 1945 mitmachen musste. Selbst die internationale Presse verbeugt sich vor dieser kriminellen Qualität. Fast könnte man meinen, die großen deutschen Skandale sind fest in österreichischen Händen. Auch dieser Exportschlager reiht sich ein in eine Galerie altbekannter Nachbarschaftshilfe übelster Sorte. Jan Marsalek heißt der inzwischen zu Putin entflohene Wunderknabe, der nun das Ranking der berüchtigsten Österreicher einige Monate anführen wird.

Hinlangen, zugreifen, abcashen. Moralische Skrupel sind den Zampanos ganz fremd. Mit Rücksichtnahme wären sie auch nie so weit gekommen. Vom Markenprofil her sind Marsalek und Braun artverwandt der (meist jungen) Garde, die sich hier in Wien um Sebastian Kurz tummelt. Die dessen Nähe sucht wie umgekehrt deren Nähe gesucht wird. Nicht zufällig war Braun, ein wortgewandter Visionär der neuen Ökonomie, Mitglied in des Kanzlers Beraterstab „Think Austria“. Das „Ökosystem der neuen Geldwirtschaft“, so der gern dozierende Braun, produziert wohl diesen Typus in Serie.

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