Leitartikel

Festspiele, auf die die ganze Welt blickt

(c) APA/BARBARA GINDL
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Das 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele soll trotz Pandemie stattfinden. Ein Signal für ein unerschütterliches Bekenntnis zur Kultur und zu Europa.

Salzburg will dem klassischen Besitz der Welt dienen. Der Glaube an Europa ist das Fundament unseres geistigen Daseins. Edelsten Genuss wollen wir bieten. Geistigen Frieden wollen wir bringen.“ Heute würde man Ziel und Programmatik der Salzburger Festspiele wohl dezenter formulieren, als es Hugo von Hofmannsthal zur Gründung ausgegeben hat. Doch in einem Land der Schatten werfenden Zwerge und Grenzen befestigenden Gebirge darf und muss ein Intellektueller schon höher zielen.

Ohne Anspruch bleibt alles durchschnittlich. Nach der zivilisatorischen Katastrophe des Ersten Weltkriegs, angesichts von Hunger und Krankheit schuf eine kleine Gruppe von Denkern, Theatermachern, Pazifisten und Europäern ein Bühnenfestival, wie es die Welt nicht kannte und das bis heute nicht übertroffen wurde. Die Salzburger Festspiele sind mehr Weltkulturdenkmal als alle Altstädte und Landschaften zusammen. Dass sie einmal aufregender, einmal kommerzieller sind, ändert daran ebenso wenig wie die Kritiker, die mitunter Staub, politische Biegsamkeit und schlechte Kleidung des deutschen Großkapitals monierten. Leicht gönnerhaft formuliert: Die Kritik an Salzburg gehört wie die überteuerten Kaffeehäuser, der leichte Regen und das fast Nasale der Salzburg-Städter dazu. Hofmannsthal versprach Genuss, den die Festspiele verlässlich liefern, mitunter ist es fast zu viel an geistigem Frieden, Unruhe stört selten den Geist.

Was vermutlich noch immer ein hehres Ziel bleibt und in diesem Jahr wieder laut propagiert werden muss: der unerschütterliche Glaube an ein gemeinsames Europa. Wer das infrage stellt, hat aus der Geschichte nicht nur nichts gelernt, sondern sympathisiert heimlich oder offen mit der Wiederholung der Geschichte. Die Staaten und vermeintlich Mächtigen dieses Kontinents haben über Jahrhunderte weniger für die Kultur gearbeitet, sondern alles getan, um Europa in ein Schlachthaus zu verwandeln.

Diese Festspiele stehen natürlich nicht nur wegen des Jubiläums und seines künstlerisch durchaus anspruchsvollen Programms, sondern wegen der Pandemie unter internationaler Beobachtung: Die Entscheidung, die Festspiele trotz des grassierenden Covid-19-Virus in adaptiert verkleinerter Variante abzuhalten, war mutig und riskant zugleich. Gelingt Salzburg, also werden weder riesige Cluster entstehen noch die Welt ein intellektuelles Ischgl erleben müssen, ist dies ein Vorbild: Salzburg ist das Experiment, ob Theater, Konzerte und Opern mit insgesamt Tausenden Zuschauern in einer nicht allzu großen Stadt möglich sind oder nicht.

Eine Person prägt dieses Festival wie keine andere: Helga Rabl-Stadler hat in den vergangenen Jahren schon beinah alles für ihre Festspiele getan, zuletzt bewältigte sie ihre selbst gewählte Aufgabe mit einer fast unmenschlichen Leistung. Tag und Nacht arbeitet da eine Kulturmanagerin, um das Unmögliche möglich zu machen. Sie wird auch inmitten dieser Krise nicht einfach von Bord gehen, sondern noch eine Zeit lang weiterarbeiten.

Die Aufmerksamkeit für die Kultur war in den Monaten des Lockdown und des schwierigen Wieder-in-Gang-Bringens des Landes leider sehr überschaubar, der Rücktritt der sehr integren, aber überforderten Ulrike Lunacek zeigte das deutlich. Vielleicht wäre es an der Zeit, auch die Politik daran zu erinnern, dass dieses Land und seine Bevölkerung den historischen, den wirtschaftlichen und europäischen Auftrag hat, sich nicht nur Kulturnation zu nennen, sondern sich auch so zu benehmen. Ein entsprechendes Signal wäre – so sich der Amtsinhaber entschließt, nicht noch einmal anzutreten –, Helga Rabl-Stadler zu überzeugen, die erste Frau im Staat, also die erste Bundespräsidentin, zu werden und dafür zu kandidieren. Bis das spruchreif wird, gibt es in Salzburg aber noch genug zu retten und zu tun.

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