Marlene Dietrich weigerte sich, unter Hitler aufzutreten – dafür kam sie nach Salzburg.
Salzburger Festspiele

Diese seltsame Kulturenklave, dieses apolitische Politikum

Ein winziges Land suchte nach seiner verschwundenen Größe – und fand sie in der Kultur: Wie die Salzburger Festspiele ein Symbol des „Österreichischen“ wurden – dank jüdischer Künstler.

Aus Hollywood war der „blaue Engel“ Marlene Dietrich angereist, im Sommer 1933 – und es sollte nicht ihr letzter Besuch bei den Salzburger Festspielen sein. Dietrich, die sich Goebbels' verlockenden Angeboten zum Trotz weigerte, in Nazi-Deutschland zu drehen, besuchte noch 1937 mit ihrem Mann, dem aus Böhmen stammenden US-Produzenten Rudolf Sieber, die Festspiele. Und wie so viele ausländische Gäste ließ sie sich dafür auch „authentisch“ einkleiden – im nur wenige Jahre nach den Festspielen gegründeten Trachtengeschäft Lanz. 1933 sah die Dietrich ein Salzburger Monumentalprojekt: die Uraufführung von „Faust I“, natürlich in der Regie Max Reinhardts und mit dem theatergeschichtlich legendären Bühnenbild des Tirolers Clemens Holzmeister. Er hatte eine ganze „Fauststadt“ nach dem Vorbild des mittelalterlichen Salzburg in die Felsenreitschule gestellt. Hier zeigten die Festspiele künstlerische Weltklasse, und die Welt sah hin; hier zeigte ein zum Kleinstaat geschrumpftes Österreich, dessen Existenzberechtigung außerhalb von Deutschland so angefochten wurde, seine einzige verbliebene und umso beeindruckendere Größe: die intellektueller und künstlerischer Hochleistungen.

1938 war der jüdische Festspiel-Mitbegründer Max Reinhardt im US-Exil (Goebbels' Angebot einer „Ehrenarierschaft“ hatte er schon 1933 abgelehnt); desgleichen der Jude Bruno Walter, der 1933 zum Ärger deutscher Kulturpolitik Wagners „Tristan und Isolde“ dirigiert hatte. Abgesetzt war wie viele andere der Mozarteum-Chef Bernhard Paumgartner, der zum „Faust“ die Musik beigesteuert hatte. Der „Faust“-Bühnenbildner und Festspielhaus-Architekt Holzmeister emigrierte nach Ankara, wo er Atatürk eine Villa baute. Clemens Krauss hingegen, der 1933 die Uraufführung von Richard Strauss' „Ägyptischer Helena“ geleitet hatte, sorgte wie der Komponist selbst weiter für seine reibungslose Karriere im „Dritten Reich“. Wie auch der 25-jährige Dirigent der „Faust“-Bühnenmusik, Herbert von Karajan, oder das Gretchen, Paula Wessely.

Boykott durch Hitler-Deutschland

Einige Jahre davor aber waren die Festspiele nicht nur Symbol kultureller österreichischer Eigenständigkeit. Sie wurden auch politisch als Gegen-Bayreuth wahrgenommen – vor allem, als 1935 Arturo Toscanini zum bestimmenden Dirigenten wurde. Er hatte sowohl dem faschistischen Italien als auch Hitler-Deutschland konsequent den Rücken gekehrt. Mit ihm strömte noch mehr internationales Publikum nach Salzburg.

Glänzend behaupteten sich die Festspiele künstlerisch gegen den Boykott durch das NS-Regime, das deutsche Künstler erfolgreich unter Druck setzte, nicht in Salzburg aufzutreten, und bis 1936 mit der Tausend-Mark-Sperre deutsche Besucher fernhielt. Doch Salzburg hörte „Hitler atmen“, wie der französische Autor François Mauriac bei seinem Besuch 1934 bemerkte, kurz nach der Ermordung des Kanzlers Dollfuß durch nationalsozialistische Putschisten. Auch von Nationalsozialisten gezündete Bomben platzten in diesen Jahren, im Eingang des Festspielhauses und im Hotel Bristol. Salzburg war eine Hochburg illegaler Nazis, die Zeitungen waren voll von Kritik an der Dominanz jüdischer Künstler und reicher Gäste bei den Salzburger Festspielen, an diesem „jüdischen Hexensabbath“.

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