Coronavirus

Hält die teilweise Maskenpflicht vor dem Verfassungsgericht?

In der Apotheke muss Maske getragen werden, im Baumarkt nicht - ist das verfassungsrechtlich in Ordnung?
In der Apotheke muss Maske getragen werden, im Baumarkt nicht - ist das verfassungsrechtlich in Ordnung?APA/BARBARA GINDL
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Maske im Supermarkt, aber nicht im übrigen Handel - ist diese Verordnung ausreichend begründbar? Darüber sind sich Verfassungsrechtler nicht einig. Der Gesundheitsminister beruft sich auf ein Gutachten.

Seit 24. Juli ist (neben wie bisher Apotheken und Öffis) der Mund-Nasen-Schutz auch wieder für den Lebensmittelhandel, Tankstellenshops, Bank- und Postfilialen sowie beim Besuch in Gesundheitseinrichtungen vorgeschrieben. Nicht jedoch für die Gastronomie oder andere Geschäfte. Ob das verfassungsrechtlich in Ordnung ist, darüber sind sich die Experten uneinig. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verteidigte am Samstag seine Verordnung. Sie gelte zum Schutz von Risikopersonen in "spezifischen systemrelevanten Bereichen" - und sei auch laut einem Fachgutachten "sachlich gerechtfertigt" und "für die Bevölkerung nachvollziehbar".

Mit der Ausweitung der Mund-Nasen-Schutz-Pflicht sollen Risikopersonen dort geschützt werden, wo sie ihre Grundbedürfnisse des täglichen Lebens decken müssen, bekräftigte Anschober. Um die Maßnahme "treffsicher auszugestalten", seien Betriebsstätten des Lebensmitteleinzelhandels, Banken, Post und Postpartner, Pflegeheime und Krankenanstalten - zusätzlich zu den Apotheken - erfasst.

Wichtige Orte für Risikogruppen schützen

Der Minister verwies auf das Gutachten des Infektologen und "gerichtlich zertifizierten Sachverständigen" Herwig Kollaritsch. Dieses werde auch "vom allergrößten Teil der Virologen geteilt und unterstützt". Darin heiße es, dass eine Regelung insbesondere jene Bereiche abdecken solle, die Risikopersonen entweder deshalb besuchen müssen, weil nur damit die tägliche Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen möglich ist, oder weil sie zur Aufrechterhaltung von Grundbedürfnissen nötig sind (z.B. Pflegeeinrichtungen, Gesundheitseinrichtungen). Damit könnten aber bestimmte Bereiche ausgeklammert werden, die von vulnerablen Personen nicht notwendigerweise frequentiert werden müssten.

Aus diesem Grund sei die Verordnung "auch aus fachlicher Sicht nachvollziehbar und gerechtfertigt". Entsprechend differenzierte Regelungen für den Mund-Nasen-Schutz habe es auch bei Ersteinführung im Frühling gegeben. Anschober appellierte zudem "dringend" an die Bevölkerung, "sich durch diese Diskussion nicht verwirren zu lassen und auch weiterhin Abstand zu halten, Mund-Nasen-Schutz zu tragen, Hygienevorschriften einzuhalten und geschlossene Räume regelmäßig zu lüften, um eine weitere Verbreitung von COVID-19 zu verhindern".

Kommt auf Begründung an

Auch die Verfassungsrechtler Theo Öhlinger und Bernd-Christian Funk halten es für möglich, dass die Verordnung des Gesundheitsministers nicht aufgehoben wird. Die Begründung der Regierung, dass Lebensmittelgeschäfte für viele Menschen unvermeidbar sind, auch wenn sie sich vor Ansteckung fürchten, sei "nicht ganz unplausibel", sagte Öhlinger am Samstag im ORF-"Mittagsjournal". Ob die Regierungsargumente für den VfGH ausreichen, sei "eine Wertungsfrage, die man nicht vorhersagen kann".

Die Frage sei, wie die Begründung der Regierung genau aussieht - ob nach dem Motto "Pi mal Daumenbreite" argumentiert wird oder mit empirischen Erhebungen, merkte Funk an. Denn die Verfassungsrichter hätten auf eine hinreichende Begründung für - grundsätzlich als zulässig erklärte - Differenzierungen bei den Corona-Maßnahmen gepocht, verwies der Verfassungsrechtler auf die jüngsten Erkenntnisse. Und stellte fest: "Die endgültige Antwort wird wiederum vom VfGH zu geben sein."

„Sachlich nicht gerechtfertigt"

Der frühere Verfassungsrichter Rudolf Müller und der Verfassungsrechtler Heinz Mayer halten es - wie sie im "Standard" darlegen - hingegen für gut möglich, dass der VfGH auch die neue Maskenverordnung aufheben wird. Müller erachtet die Unterscheidung zwischen Lebensmittel- und sonstigen Geschäften für "sachlich nicht gerechtfertigt". Auch Mayer sieht keine triftige Begründung für die Differenzierung zwischen den Geschäftstypen.

Für die Opposition war die Diskussion um die Masken-Verordnung Anlass für Kritik an der Regierung. "Nach dem Chaos bei den Einreisebestimmungen, der Corona-Ampel und Köstingers gescheiterter Tourismus-Strategie rund um St. Wolfgang geht der Regierungspfusch weiter", befand SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher in einer Aussendung.

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sah "das Verordnungschaos in diesem Coronawahnsinn der schwarz-grünen Regierung prolongiert" - und kritisierte den Mund-Nasen-Schutz an sich als "massive Beschränkung von Freiheits- und Persönlichkeitsrechten".

"Der Fehlerteufel ist offenbar ein Markenzeichen in den Verordnungen des Gesundheitsministers", konstatierte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker - und nahm Minister Rudolf Anschober (Grüne) in die Pflicht: Inzwischen wäre es "unglaubwürdig, sich auf ,übermüdete' Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszureden". Denn Verordnungen würden nur in Kraft treten, wenn der Gesundheitsminister persönlich seine Unterschrift daruntersetzt.

(APA)

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