Wie attraktiv ist Österreich?

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attraktiv oesterreich(c) Clemens Fabry
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Österreich setzt zu stark auf Tourismus – der Wirtschaftsstandort wird kaum beworben. Schwachstellen: Hohe Steuern, teures Leben. Selbst ausländische Schlüsselarbeitskräfte klagen über Fremdenhass.

WIEN. In der öffentlichen Debatte sind sie die „guten Ausländer“: Manager, Wissenschaftler, Ingenieure, Künstler – genau jene also, die Österreich mittels kontrollierten Zuzugs ins Land holen will, um sich als internationaler Wirtschaftsstandort zu profilieren. Ob Österreich für all jene, die Unternehmen und Unis dafür benötigen, auch attraktiv genug ist, ist jedoch fraglich.

Woran der „Brain Gain“ zu scheitern droht, ist Österreichs Image im Ausland. Noch immer dominieren romantische Klischees von der Kulturnation, die vor allem Lipizzaner, Mozartkugeln und „The Sound of Music“ zu bieten hat. Als zentraleuropäische Drehscheibe wird Wien trotz UNO-Sitz oft nicht wahrgenommen. Schuld daran ist aber weniger eine fehlende Infrastruktur oder mangelndes Know-how, sondern vielmehr ein Kommunikationsproblem. Während so der kulturelle Aspekt im Werben um Touristen überbetont werde, gerate das Image als Businesszentrum für den zentral- und osteuropäischen Raum oft in Vergessenheit: Das besagt eine Umfrage der Wiener Webster-Privatuniversität unter mehr als 300 ausländischen Managern, UNO-Mitarbeitern und Fachexperten, die von ihren Unternehmen meist für mehrere Jahre nach Wien entsandt wurden.

Nur knapp ein Drittel der Befragten nahm Wien (siehe Grafik unten) vor der Ankunft als Geschäftszentrum wahr – unter jenen, die seit einiger Zeit hier leben, liegt der Anteil schon bei 64 Prozent. Ebenso viele sehen die Stadt als internationales Kongresszentrum (ein Drittel vor der Ankunft); weitere 22 Prozent nehmen Wien als Hightech-Standort wahr (14 Prozent vorher).

Sicher, aber teuer


Im Getöse der Tourismuswerbung schafft es offenbar kaum ein Vorteil des Wirtschaftsstandortes Österreich über die Staatsgrenzen. Dabei gäbe es viele Vorzüge, mit denen das Land international um „High Potentials“ werben könnte. Einige davon liefert das Schweizer Institut für Management-Entwicklung (IMD), das jedes Jahr die Wettbewerbsfähigkeit von rund 60 Staaten nach 327 Kriterien bewertet. Im heurigen Ranking des „IMD World Competitiveness Yearbook“ kletterte Österreich um zwei Ränge auf den 14. Platz (siehe Grafik oben), an der Spitze liegt Singapur.

Als Grund führt die Studie (eine Kombination aus „harten“ Wirtschaftsdaten und einer Meinungsumfrage bei Unternehmensführern) aber keineswegs die Wiener Walzerseligkeit und schönen Salzburger Bergseen an. Stattdessen punktet Österreich etwa mit einem ausgezeichneten Straßennetz, passablem Bildungswesen und günstigen Mobilfunktarifen. In keinem anderen Land fühlten sich die Befragten zudem so sicher wie in Österreich. In keinem anderen Land wurde der Ausbau des Gesundheitswesens so sehr gelobt. Was die Unternehmensführer in der Studie als Nachteil anprangerten, könnten Einwanderer auch als Vorteil für sich verstehen: In nur neun der 58 Länder, die untersucht wurden, müssen Menschen in einem Jahr weniger arbeiten als in Österreich – bei vergleichsweise hohen Löhnen.

Das alles bezahlen die Österreicher freilich mit einer hohen Steuerlast. Nur drei Länder schneiden bei der Fiskalpolitik schlechter ab als Österreich. Auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten sind im internationalen Vergleich hoch. Vor allem Strom und Breitbandinternet sind zu teuer.

„Grantig und xenophob“


Mit Lebensqualität und persönlicher Sicherheit konnte Wien auch bei der Umfrage der Webster University punkten. So zeigen sich 63 Prozent der Teilnehmer mit den Gesundheitsleistungen zufrieden, die öffentliche Verwaltung wird – wiewohl etwas bürokratisch – ähnlich gut bewertet. Im Alltagsleben gibt es dennoch Kritikpunkte: „Schmutzig und verraucht, grantig und xenophob“ heißt einer der Untertitel der Studie. Nicht einmal die Hälfte aller Befragten ist mit der Sauberkeit der Straßen zufrieden. Knapp ein Drittel ärgert sich über verrauchte Restaurants.

Größtes Problem scheint aber die Fremdenfeindlichkeit zu sein, die den Österreichern zugeschrieben wird. Rund 64 Prozent erleben die heimische Bevölkerung generell als „unfreundlich“, ebenso viele berichten von Vorurteilen gegen Ausländer. Lediglich elf Prozent fühlen sich in Wien „herzlich willkommen“. In persönlichen Kommentaren klagen die Migranten darüber, in der U-Bahn angepöbelt zu werden. Aussagen wie diese führten dazu, dass die 2009 fertiggestellte Studie bislang nicht den Weg in die breite Öffentlichkeit finden sollte – schließlich wurde sie mit finanzieller Unterstützung der Stadt Wien erarbeitet.

Dem Standort schade die Fremdenfeindlichkeit sehr, sagt Studienautor Arno Haslberger, der die Umfrage heuer eigenständig ohne die Stadt Wien wiederholen will. „Österreich muss das virulente Klima der Ausländerfeindlichkeit, zu dem auch die Zentrumsparteien und höchste Regierungskreise beitragen, rasch in den Griff bekommen.“ Nur dann werde Österreich den Ruf als „Karrieremotor“ behalten, den ihm immerhin ein Drittel der Befragten zuschreibt.



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