Human Branding

Der Künstler als Marke: Logos und Branding in der Musik

Lang hatte das Geldverdienen mit Songs einen Makel. Aber seit den späten Sechzigerjahren haben Ideen aus Werbung und Wirtschaft die Marketingstrategien der Popmusik immer stärker geprägt. Es begann mit unschuldiger Corporate Identity und mit prägnanten Logos – und endete jetzt vorläufig mit dem umfassenden Human Branding.

Narren und Heilige hat es in der Popmusik lang gegeben. Bewusst Geld zu scheffeln mit der Kunst, war früher verpönt. Der Samariter kam als Figur häufiger vor als der Businessman. Das jüngst verstorbene Blues-Genie Peter Green wollte etwa die Tantiemen, die er für Welthits wie „Black Magic Woman“ bekam, karitativen Organisationen spenden. Die Mitglieder seiner Band Fleetwood Mac wehrten sich mit Händen und Füssen dagegen.

Früher war schon Folksänger Woody Guthrie damit aufgefallen, dass er im Grunde nur Kleingeld mit seiner Musik verdienen wollte. Er rebellierte gegen das Copyright. Autor und Musicbiz-Veteran Simon Napier-Bell zitiert ihn seinem Buch „Ta-Ra-Ra-Boom-De-Ay“ folgendermaßen: „Anybody caught singin' it without our permission, will be mighty good friends of our'n, cause we don't give a dern. Publish it. Write it. Sing it. Swing to it. Yodel it. We wrote it, that's all we wanted to do.“ Der Gestus der Selbstlosigkeit hielt nicht ewig, zumal Gier, und sei es jene des Künstlermanagements wie im Fall Albert Grossman/Bob Dylan, letztlich auch die Kreativität des Künstlers antreibt.

Überblickt man die Popmusik des 20. Jahrhunderts, zeigt sich, dass gerissene Plattenlabels und Manager jahrzehntelang die Unwissenheit ihrer Klientel, wie viel mit Publishing zu verdienen ist, ausnützten. Die Labels machten großes Zubrot mit den Einkünften aus den Verlagstantiemen. Die Musiker bekamen nur das, was sie bei ihren Konzerten einspielten.

Es löste eine Revolution aus, als sich R&B-Meister Ray Charles gegen diese Praxis wehrte, die auch sein Label Atlantic Records pflegte. Als er 1962 bei ABC unterzeichnete, war fortan jede seiner Kompositionen im eigenen Verlag „Tangerine Music Corp.“ untergebracht. Im Soul, Blues und R&B waren ungebildete afroamerikanische Musiker zu lang eine Goldquelle für Labelbetreiber und Manager. Das änderte sich durch Ray Charles radikal.

Das schon immer innige Wechselverhältnis zwischen Kunst und Ökonomie begann sich mit den Aktivitäten von Berry Gordy, Boss des Soullabels Motown, auf wieder neue Art zu verändern. 1962 bis 1970 produzierte Motown in der Autostadt Detroit. Gordy führte neue Formen der Musikproduktion ein, die von der Arbeitsteilung der Autofabriken inspiriert waren.

Blues im Zeichen des Seepferdchens

Die Relevanz eines einprägsamen Logos kannten alle besitzergeführten Schallplattenfirmen früh. Die Brüder Ahmet und Nesuhi Ertegün, die Atlantic aus der Taufe hoben und die Brüder Chess, die das Blueslabel Chess etablierten, firmierten unter markanten Schriftzügen. Atlantic lockte mit einem großen A und einem Wirbel, Chess mit einem Seepferdchen über dem Firmennamen. Motown begnügte sich mit einem freundlichen Schriftzug.

Diese Labels schauten sich auch anderes aus der Wirtschaft ab. So experimentierte Motown mit seinen Boy- und Girlgroups früh mit Corporate Identity. Jedem Gesangskollektiv wurde ein eigenes Fashion Design zugewiesen, das wie eine Uniform funktionierte. So waren Girlgroups wie The Supremes, The Marvelettes und Martha and the Vandellas leicht zu unterschieden. Gleiches bei Bubenbanden wie The Miracles, The Temptations und The Jackson Five.

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