Salzburger Festspiele

Peter Handke, das Absurde und der Selbstmord

Sieben Personen suchen Sinn in der Selbstverbrennung eines jungen Mannes und im Text eines reifen Autors. Sie erwecken dabei Empathie.
Sieben Personen suchen Sinn in der Selbstverbrennung eines jungen Mannes und im Text eines reifen Autors. Sie erwecken dabei Empathie.(c) APA/BARBARA GINDL
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In ihrer Inszenierung geht Friederike Heller mit dem Text des Nobelpreisträgers sensibel um: Dieser „Zdeněk Adamec“ erzeugt Mitgefühl.

Nein, niemand wird am Ende auf der Bühne des Salzburger Landestheaters brennen, wird sich mit Benzin übergossen haben und in den Freitod gehen. So viel Außenwelt passt nicht zu Peter Handkes Stück, das am Sonntag bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde. Eine Andeutung auf Schreckliches gibt vielleicht das Bühnenbild von Sabine Kohlstedt, das vor allem aus metallenen Umrissen von Laubengängen besteht. Anfangs sind sie schwarz, über ihnen bewölkter Himmel mit einer Ahnung von Licht. Nach zwei Stunden intensiven Sprachspiels, das von Kalauern und berühmten Zitaten bis zu ganz eigenen poetischen Verdichtungen reicht, erglühen diese Bögen golden. Brennen sie? Verweisen sie auf Transzendenz oder was oder wie? Das mag ein Geheimnis bleiben.

Zu sehen sind in der Inszenierung Friederike Hellers drei Schauspielerinnen und vier Schauspieler, die in „Zdeněk Adamec“ über Zdeněk Adamec reden – über einen 18 Jahre alten Fachschüler aus Humpolec in Böhmen, der sich am Morgen des 6. März 2003 durch Selbstverbrennung auf dem Prager Wenzelsplatz das Leben nahm. Er war einer von Dutzenden Tschechen, die dem Beispiel des Jan Palach folgten. Der hatte sich 1969 eben dort verbrannt – aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts. Die KP in Moskau duldete nicht, dass die ?SSR 1968 einen Reformkurs einschlug.

Der Schriftsteller als junger Mann?

Handke widmet sich nun einem weniger bekannten Fall im 21. Jahrhundert. Über ihn hat er bereits 2017 in „Die Obstdiebin“ geschrieben. Zwei junge Menschen reden dort darüber: „Zdeněk hat sich aus der Welt katapultiert, um zu protestieren gegen die Welt.“ In Salzburg, in der gestrafften Fassung von Heller und Andrea Vilter (mit englischen Übertiteln), wird diese Geschichte in einer einzigen Szene vielstimmig und ausführlich dargebracht. Das Septett teilt sich die Rolle des Erzählers, sein Agieren erinnert an die Mauerschau antiker Tragödien, wirkt zuweilen fast wie ein Chor. Seine Mitglieder sind jung und alt, multikulturell, wie im Text vorschlagen. Ulrike Gutbrods Kostüme signalisieren: ein bunter Haufen. Erinnert Christian Friedel im wehenden Mantel und mit klobigen Schuhen nicht ein wenig an den Schriftsteller als junger Mann? Und Hanns Zischler an ihn als Senior? Vereinzelt spricht Handkes Muse Sophie Semin Französisch, Nahuel Pérez Biscayart Spanisch und André Kaczmarczyk Polnisch.

Gespielt wird zurückhaltend. Wenige Requisiten – eine Feder, Flocken, ein Paar Schuhe, ein Korb mit Äpfeln, die dann über die Bühne rollen. Mehr bedarf's nicht. Dadurch kommt der kunstvolle Text noch mehr zur Geltung. Die stärkste Präsenz haben Kaczmarczyk und Eva Löbau, sie treiben die spärliche Handlung voran. Aber die bleibt ohnehin Nebensache. Was dieses Kollektiv in der Rekonstruktion eines tragischen Schicksals erweckt ist vor allem: Mitgefühl.

Unterstützt werden die Darsteller durch ein Musikertrio auf der Bühne: Renu Hossain, Michael Mühlhaus und Peter Thiessen (Komposition) führen durch den Abend, als wagten sie wie Handke einen „Versuch über die Jukebox“. Einmal werden sie von Luisa-Céline Gaffron unterstützt. Die Schauspielerin greift zur E-Gitarre und singt „Black Is Black“ von Los Bravos. 1966. Damals wurde Handke mit der „Publikumsbeschimpfung“ berühmt. Die Rückkehr der Sixties, die liebsten Lieder des einstigen Pop-Poeten: Chuck Berry, Lee Hazlewood, Pete Seeger. Später dann ein Song Leonard Cohens. „Hallelujah!“ Noch einmal gemeinsam einsam sein.

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