Nach Großdemo

Deutschland: Härtere Gangart gegen Corona-Verstöße gefordert

Politiker Söder, Spahn und Esken kritisieren die Anliegen der Impfgegner und Coronaleugner. Die AfD verteidigte die Kundgebung. Kritik setzte es auch an der Polizei, die nur allmählich einschritt.

Nach der Berliner Großdemo gegen die Corona-Politik in Deutschland mehren sich Forderungen nach einer härteren Gangart bei Missachtung von Mindestabstand und Maskenpflicht. Bei der Demonstration von gut 20.000 Kritikern der Corona-Politik am Samstag waren die Auflagen bewusst missachtet worden, die Kundgebung wurde schließlich von der Polizei aufgelöst. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, Demonstrationen müssten zwar auch in Corona-Zeiten möglich sein. „Aber nicht so. Abstand, Hygieneregeln und Alltagsmasken dienen unser aller Schutz", schrieb er auf Twitter.

SPD-Chefin Saskia Esken twitterte: „Tausende Covidioten feiern sich in Berlin als ,die zweite Welle', ohne Abstand, ohne Maske. Sie verwies zudem darauf, dass „Rechtsextreme mit Reichsbürgern, Pegida-Angehörige mit QAnon-Anhängern" demonstriert hätten. Demokratie und Rechtsstaat würden sich mit allen Mitteln gegen die Feinde der Demokratie wehren, erklärte Esken am Sonntag.

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki zeigte hingegen in der „Bild"-Sendung Verständnis für die Demonstranten. Er sei sich sicher, dass unter Demonstranten „eine Menge Leute dabei waren, die für uns nicht verloren sind, die einfach verzweifelt sind, weil sie nicht mehr wissen, warum diese Maßnahmen umgesetzt werden", sagte der FDP-Vizechef. „Die Politik hat versäumt, den Menschen genau zu erklären, was eigentlich das Ziel der gesamten Maßnahmen ist.“ Einzig die Alternative für Deutschland (AfD) fand die Demonstration problemlos. AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla: „Ich kann keine Fehlverhalten erkennen."

„Absolute Wachsamkeit“ gefordert

CSU-Chef Markus Söder sagte im Sender ARD, dass bei den Demonstrationen „Weltverschwörungstheoretikern mit der extremen Rechten und auch Linken" zusammen marschierten: „Da bündelt sich etwas zusammen, was eigentlich gar nicht zusammengehört.“ Und in der „Bild am Sonntag“ warnte er: „Wenn wir nicht aufpassen, kann bei uns wieder eine Situation wie im März entstehen." Gefragt sei „absolute Wachsamkeit", deshalb sei „jetzt nicht die Zeit für neue Lockerungen oder naive Unvorsichtigkeit". Viele Menschen seien im Umgang mit dem Virus leider leichtsinniger geworden. Die zweite Welle sei „praktisch doch schon da", sagte der bayerische Ministerpräsident. „Sie schleicht durch Deutschland."

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte in der „Abendschau“ des Senders RBB, es ärgere ihn maßlos, dass Menschen aus anderen Teilen Deutschlands nach Berlin kämen, um hier ein Demonstrationsrecht auf Grundlage von Hygieneregeln wahrzunehmen, die sie dann missachteten.

Die Polizei hatte die Demonstration am späten Samstagnachmittag aufgelöst, nachdem die Teilnehmer der Aufforderung zur Einhaltung der Corona-Auflagen nicht folgten. Die Auflösung zog sich bis in die Nacht hinein. Zu der deutschlandweiten Demo hatte unter anderem die Stuttgarter Initiative Querdenken 711 aufgerufen. Neben Corona-Leugnern und Impfgegnern waren auch viele Teilnehmer mit eindeutig rechtsgerichteten Fahnen oder T-Shirts in der Menge. Bei der Auflösung der Kundgebung wurden 45 Beamte verletzt. Auch Journalisten waren bei der Demo nicht willkommen. ZDF-Reporterin Dunja Hayali wurde von den Teilnehmern beschimpft. Sie musste ihren Dreh schließlich abbrechen. „Es ist eine gefährliche Melange, die sich hier auf der Straße zusammenfindet", resümierte sie am Ende ihres Videos. „Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen als Presse."

Kritik auch an Polizei und Ordnungsämtern

Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte den Zeitungen der Funke-Gruppe, die Ordnungsbehörden sollten stärker detaillierte Hygienekonzepte vorlegen und auf deren Umsetzung drängen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte „dreistellige Bußgelder" bei Verstößen gegen Maskenpflicht und Abstand.

„Offenbar schauen Ordnungsämter und Polizei immer mehr weg, damit es nicht eskaliert", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. „Auch trauen sich weniger Menschen, ihren Gegenüber auf einen fehlenden Infektionsschutz hinzuweisen." Dadurch entstünden „rechtsfreie Räume“.

Auch Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte die Demonstrationen als „Aufruf zur Rücksichtslosigkeit". Durch die Aufforderung zum Verzicht auf die Masken gefährdeten die Initiatoren sich selbst und andere, erklärte sie im ZDF-Sommerinterview.

(APA/AFP/red.)

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