Konzertkritik

Musikalische Forschung am Wiener Herz

Kollegium Kalksburg und die Strottern im Wiener Stadtsaal.
Kollegium Kalksburg und die Strottern im Wiener Stadtsaal.Samir H. Köck
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Heimatkunde, fein bis grob: Kollegium Kalksburg und die Strottern im Wiener Stadtsaal.

„Na, des mocht a Weana ned. Der stellt dir ka Haxl, der reißt's dir glei aus“, wisperte Klemens Lendl von den Strottern, unterbrochen nur von ein paar fiesen Pizzicati: „Na, a Weana bricht ka Herz, der faschiert's glei.“ In den Mund gelegt hat ihm diese Krassheiten der Dichter Peter Ahorner, der auch im Publikum saß.

Zu sehen waren nicht nur die Strottern, sondern auch das Klangkombinat Kollegium Kalksburg. Auf der Bühne hatten sich die Kalksburger links positioniert, die Strottern rechts. Rein räumlich, versteht sich. Konkrete Politik, das ist nichts für diese Herren. Lieber verschreiben sie sich der Erforschung des Wiener Gemüts, in dem bekanntlich Larmoyanz und Aggression dicht an dicht hausen. Etwa in „Seiringa Sandlaschdoiz“, aus der Feder des Kalksburg-Sängers Vincent Wizlsperger: Er gibt einen Sandler, der erst devot und dann recht frech eine feine Dame anschnorrt. Nach ihrer Replik, er solle „was hackeln“ gehen, dreht er den Spieß um und fragt, was denn sie eigentlich mache, wenn sie nicht gerade „ihr deppats Hundsviech“ äußerln führt: „Leg'n S' doch an Zwanziger bei mir au, dann schau ma, wie'ra langsam mehr wird, weil's Geld bekanntlich hackeln kann.“

Die Strottern, vom Habitus her verbindlicher, kennen ebenfalls keine Diplomatie, wenn's ums zwiespältige Wesen des Wieners geht. „Wos mocht an Menschen aus? Vom Sandler bis zum Dokta, olle sans Kalfokta“, hieß es in ihrem ersten Lied. Sie schlossen darin auf eine vom sozialen Stand unabhängige Grundgestimmtheit: „Zwider und wampert, bleib i liaba in da Hapfn.“

Von André Heller bis Pippi Langstrumpf

Mit Fortdauer des Abends spielten die beiden Bands statt abwechselnd immer mehr miteinander. Höhepunkt: ein Duell der singenden Sägen. Eine leicht verblödelte Kalksburger Version von André Hellers Geniestreich „Alaan sei is ärger als Ratzen fressen“ konterten die Strottern mit einem dunklen Chanson, das auf die Vergeblichkeit allen menschlichen Tuns wies. In Sachen Erotik agierten die Kalksburger herzhaft derb: Von einem durch Gelsen vereitelten Freiluftschäferstündchen im Sommer gingen die Protagonisten „geil und dipplat“ ab. Das Gebüsch ist halt auch nicht mehr, was es einmal war.
Die Kalksburger begeisterten mit dem Pippi-Langstrumpf-Lied und Jacques Brels „Le Moribond“ auf Wienerisch, die Strottern mit neuen Liedern wie „Heazz & Haxn“. Auch sie hätten ein neues Lied, erklärten die Kalksburger, aber sie wollten es nicht spielen . . . Auch eine Art von Jux.

Gemeinsam verabschiedeten sich die fünf mit einem rinnäugigen Klassiker: Karl Hodinas „Straßenmusikant“, wo der Held „dipplnega“ ist und sein Instrument versetzen muss. Ein Glück, dass die heutigen Burschen auch mit Säge, Kamm und Raucherhusten musizieren können.

Weitere neue Wienerlieder: Noch bis 6. 8. spielen 5/8erl in Ehr'n im Stadtsaal.

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