Ohne Wehrpflicht wird's nicht gehen

Eine radikale Neuaufstellung wäre eine große Chance fürs Vaterland.

Die Meinungsforschung zum Bundesheer hat ein klares Bild ergeben. Es unterstreicht jene Aufgaben des Bundesheers, die dem neuen Bedrohungsbild und den zur Verfügung stehenden Mitteln folgen. Unglaubliche 80Prozent der Bevölkerung sehen den Hauptzweck des Heeres im Katastrophenschutz. Weit abgeschlagen kommen Terrorbekämpfung und Grenzschutz. Nur zwei Prozent halten friedensstiftende und friedenserhaltende Missionen für wichtig. Sie sind dennoch unerlässlich. Das ist ein eindeutiger Arbeitsauftrag an Bundesregierung und Parlament. Die Aufgaben sind neu zu gewichten. Das geht ohne grundlegende Gesetzesänderungen. Die Prioritäten der militärischen Aufgaben sind Terrorbekämpfung, Luftraumüberwachung, Friedensmissionen, dann erst Grenzschutz.

Das bedeutet Stilllegung des Großteils der Panzerwaffen und der Artillerie sowie weniger Infanterie. Bundesheer light hieß das vor Jahren, wurde damals bekämpft und hat sich als richtig erwiesen. Für diese Aufgaben brauchen wir laut Fachleuten 2500 jederzeit einsatzbereite Soldaten. Um diese Zahl zu erreichen müssen 7500 Mann/Frau zur Verfügung stehen. Dazu kommt noch das Hilfspersonal, heute weitgehend von Wehrpflichtigen gestellt. Ohne Wehrpflicht müsste es zu Marktpreisen bezahlt werden. Unvorstellbar.

Der Katastrophenschutz wird derzeit weitgehend von den Wehrpflichtigen geleistet. Natürlich könnte eine eigene technische Einheit diese Arbeit machen. Sie müsste allerdings auf freiwilliger Basis aufgestellt und entsprechend bezahlt werden. Dafür fehlt das Geld. Eine allgemeine Dienstpflicht für eine solche Aufgabe ist von Verfassung und Menschenrechtskonvention her unzulässig. Die Anerkennung dieser Hauptaufgabe müsste neue Ausbildungen und vor allem Vernetzungen mit den Rettungs- und Hilfsorganisationen bringen. Ein neuer Zivildienst von gleicher Dauer wie der Dienst mit der Waffe könnte darin aufgehen. Dazu bedürfte es eines breiten Konsenses im Parlament.

Ohne Wehrpflicht wird es also nicht gehen. Die 7500Freiwilligen für die militärischen Aufgaben fände man, man findet sie ja auch heute. Auch um die Demokratie wäre mir nicht bange. Aber der den Österreichern so wichtige Katastrophenschutz erfordert viele sofort Verfügbare in jeder Region. Sie bringt nur die Wehrpflicht.

Im neuen Bundesheer muss politische Bildung während der ganzen Ausbildung erfolgen. In allen Teilen muss die Miliz gepflegt werden: im militärischen Teil für die Auslandseinsätze – derzeit kommen 70Prozent der im Ausland Eingesetzten aus der Miliz. Im Katastrophenschutz könnten die Milizsoldaten in den großen Rettungsorganisationen die wichtige ständige Verbindung zum Heer bewirken.

Eine ehrliche, radikale Neuaufstellung wäre eine große Chance fürs Vaterland.

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2010)

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