Neuvorstellung

Volkswagen ID.3: Die dritte Macht

E-Mobilität, wie VW sie sieht: Der ID.3 stromt betont mehrheitstauglich und mit dem markentypisch rationalen Element.
E-Mobilität, wie VW sie sieht: Der ID.3 stromt betont mehrheitstauglich und mit dem markentypisch rationalen Element.(c) Werk
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Er kommt, wenn auch mit einiger Verspätung: VWs bisher ernsthaftester Beitrag zur E-Mobilität. Ist der ID.3 nach Käfer und Golf der nächste Hit von Volkswagen?

Wolfsburg/Wien. Wenn andere Hersteller einfach nur ein neues Auto herausbringen, beginnt VW gleich eine neue Ära. So sieht es zumindest das in seinem Selbstbewusstsein unbeirrbare Volkswagen-Marketing.

Dabei ist die Vorgeschichte des neuen elektrischen Hoffnungsträgers der Marke etwas verzwickt – vor allem wegen Softwareproblemen wurde der Marktstart mehrfach verschoben. Tausende auf Halde produzierte Autos brauchten mehrere Elektronik-Gehirnwäschen, um flott zu werden.

Nun aber kann sich der ID.3 aufmachen, um eventuell das zu schaffen, was VW mit Käfer und Golf gelungen ist – die Benchmark des ganzen Segments zu werden, nicht weniger.

Es wird nicht mehr so leicht werden wie anno dazumal. Die automobile Welt ist ausgiebig vermessen, der Mitbewerb putzmunter – und Segnungen der E-Mobilität sind keineswegs unumstritten.

Das Potenzial zum Gewinner ist dem ID.3 aber zweifellos in die Wiege gelegt. Ein schnörkelfreies Design in Golf-Abmessungen, resistent gegen vorzeitiges Altern und selbstbewusst, aber weit entfernt von protzig.

Dazu exakt so schlau angelegt, dass es beide Arten von E-Auto-Kunden anspricht: die, die unbedingt unterscheidbar sein wollen, und jene, die genau das nicht möchten.

Bedienung intuitiv

Der Innenraum empfängt mit einem modernen, luftigen Layout, enttäuscht aber bei der Materialwahl: Bis auf die farblich abgesetzte Armaturenbrettauflage ist alles in Hartplastik mit Billiganmutung und unerfreulichem Klangbild beim Draufklopfen eingekleidet. Auch bei den Assistenzsystemen knausert der Elektro-Wolfsburger: Außer Spurhalte- und Notbremsassistent sind alle weiteren Fahrhilfen nur gegen Aufpreis erhältlich oder in höheren Ausstattungsvarianten kombiniert.

Gelungen ist dafür der Anspruch einer möglichst simplen und intuitiv erfassbaren Bedienung: Für den ID.3 wird kaum jemand ein Handbuch brauchen, alle Funktionen sind einfach und logisch in den Bildschirmmenüs auf dem zentralen Zehn-Zoll-Display sortiert, Medienlautstärke und Temperatur über Wischfelder darunter direkt steuerbar. Wo früher Instrumente saßen, zeigt jetzt ein kleiner Bildschirm die maßgeblichen Fahrdaten und Navi-Anweisungen. Am seitlich daran angebrachten Satellitenschalter wird das Getriebe aktiviert – Drive, Retour, Parkfunktion, das war's.

Nüchtern, übersichtlich: ID.3-Cockpit.
Nüchtern, übersichtlich: ID.3-Cockpit.(c) VW



204 PS und 310 Newtonmeter bewegen die knapp 1,75 Tonnen mit ausreichender Dynamik, für den Sprint auf 100 liegen 7,3 Sekunden an, bei Tempo 160 endet die Stromgaudi. Dass die Kraft auf die Hinterachse wirkt, bleibt aber selbst bei mutwilligen Manövern eine Kataloginformation – der ID.3 ist beinahe enervierend stoisch und neutral im Handling.

Im Zeitraum der Einführung wird nur die mittlere Batteriegröße zu 58 kWh mit circa 420 Kilometern Reichweite angeboten, später folgen Varianten zu 330 und 550 Kilometern.

Die Zahlen sind glaubwürdig – bei den ersten Testfahrten hielt der Stromer sein Verbrauchsversprechen exakt ein. Nur wer damit künftig vor allem Autobahndistanzen abspulen will, muss sich mit deutlich geringeren Distanzen bis zum nächsten Ladestopp abfinden: Bei dauerhaft Tempo 130, dies naturgemäß ohne nennenswerte Möglichkeiten zur Rekuperation, geht das Verhältnis Reichweitenabnahme zu gefahrener Distanz in Richtung 1,5 : 1.

Preisfrage

Die eventuelle Nachfolgerschaft von Käfer und Golf wird nicht zuletzt die Preisfrage entscheiden: Zum Marktstart im August liegt der Einstieg mit dem Modell Pro Performance und 58-kWh-Batterie bei 35.000 Euro, 2021 folgt die eigentliche Basisversion mit 45-kW-Akku ab 30.000 Euro, die Topvariante Pro S mit 77-kWh-Batterie – allerdings nur noch für vier Personen zugelassen – wird gegen Ende des Jahres ab 46.640 Euro angeboten.

Für die Optionenpakete sind noch keine Tarife veröffentlicht, einen Hinweis geben aber die Preise der teil- oder vollausgestatteten „1st Edition“-Modelle Plus und Max, die mit Preisen von 41.690 und 45.950 Euro (jeweils 58 kWh) zwischen 7000 und 11.000 Euro über dem der Variante Pro Performance liegen. Die jeweiligen E-Mobilitätsförderungen, aktuell 5400 Euro in Österreich, sind davon noch abzuziehen.

Volkswagen ID.3

Maße: L/B/H: 4261/1809/1568 mm; Radstand: 2770 mm; Leergewicht ab 1794 kg; Kofferraum: 385–1267 Liter

Antrieb: PSM-Motor an der Hinterachse;

Leistung: max. 150 kW (204 PS); Drehmoment: max. 310 Nm
Lithium-Ionen-Akku, unterflur

0–100 km/h: 7,3 sec; Vmax: 160 km/h; Ein-Gang-Getriebe

Preise: „1st Edition“ Plus (58 kWh) ab 41.690 Euro; Pro Perform (58 kWh) ab ca. 35.000, 45 kWh ab ca. 30.000 Euro

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2020)

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