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Wie sich im Kitzel Lachen und Leiden mischt

Es beginnt in reiner Liebe und holder Unschuld. Aber der Kitzel bleibt kein Kinderspiel.
Es beginnt in reiner Liebe und holder Unschuld. Aber der Kitzel bleibt kein Kinderspiel.Getty Images
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Wenn uns jemand kitzelt, empfinden wir zugleich Lust und Unlust. Was hat das zu bedeuten? Und warum lachen wir dabei? Der Germanist Christian Metz streift in „Kitzel“ durch die Kulturgeschichte dieser irritierenden Empfindung.

Zärtlich beugt sich Maria über den kleinen Jesus und berührt ihn sanft am Hals. Das Baby lächelt. In der frühen Renaissance zeigten Maler mit „kitzelnden Madonnen“ exemplarisch die innige Beziehung von Mutter und Kind. Aber auch, dass der Gottessohn ganz Mensch geworden ist, eine Seele, die ein Körper gefangen hält, ein kitzliges Wesen. Wenig rührt uns so sehr, wie wenn Eltern mit ihren Kindern herumtollen und sie kitzelnd zum Lachen bringen.

Kitzeln, nur ein Kinderspiel? Auf dem Schulhof kann es ziemlich rüde Züge annehmen. Wer gekitzelt wird, lacht exzessiv, schreit, kreischt: vor Vergnügen oder weil er um Gnade bettelt? Es gibt den Nervenkitzel, den Gaumenkitzel – und den sexuellen. Auf einer „Anna Selbdritt“ von Hans Baldung Grien kitzelt Marias Mutter ihren Enkel am Geschlecht. Es irritiert, wie fließend die Grenzen sind. Die Klitoris heißt auch „Kitzler“, was Feministinnen auf die Palme bringt, die darin eine Infantilisierung weiblicher Begierde sehen. Seltsame Formen nimmt das Spiel als Sexualpraktik unter SM-Partnern an. Und es gibt die schlimme Schilderung eines KZ-Insassen, der ansehen muss, wie Schergen einen Mithäftling fesseln, kitzeln, innerlich zerbrechen. Als sie endlich von ihm ablassen, folgt dem brüllenden Lachen leises, bitteres Weinen.

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