Erste internationale Reaktionen: Moskau will keine Unregelmäßigkeiten gesehen haben, Selenskij mahnt zu Dialog und Xi gratuliert seinem Verbündeten.
Die Pressekonferenz von Lidija Jermoschina dauerte nur ein paar Minuten. Die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission (ZIK) gab am Montag erste Auszählungsergebnisse nach der Präsidentenwahl bekannt. Die Stunden davor hatte die ZIK geschwiegen. Die Ergebnisse bestätigten wie erwartet die am Vorabend veröffentlichten Exit Polls. Amtsinhaber Alexander Lukaschenko hat demnach 80 Prozent der Stimmen errungen, seine Haupt-Herausfordererin Swetlana Tichanowskaja rund zehn Prozent.
Die Wahl war von schweren Betrugsvorwürfen überschattet. Im Internet wurden Protokolle aus Wahllokalen veröffentlicht, die zeigten, dass Lukaschenko und Tichanowskaja zum Teil gleichauf lagen. In vielen Wahllokalen im Ausland lag die 37-Jährige vor dem Amtsinhaber. „Das wichtigste in der Politik sind die Menschen“, wurde Lukaschenko von der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zitiert. Die Proteste gegen den „Feiertag“ seien von Kräften aus Polen, Tschechien und Großbritannien organisiert worden, behauptete er.
„Schwierige Zeiten“ in Belarus
Als erster gratulierte freilich der chinesische Präsident Xi Jingping seinem Verbündeten Lukaschenko zum Wahlsieg, gefolgt vom Präsidenten Kasachstans. Auch aus ersten russischen Reaktionen ist abzulesen, dass Moskau dem Langzeitherrscher nach wie vor die Treue hält. Der Kreml gratulierte Lukaschenko zum Wahlsieg. Der hochrangige Senator Wladimir Dschabarow erklärte, er sehe keine Notwendigkeit, an den vorläufigen Resultaten zu zweifeln. „Keine augenfälligen Übertretungen“ seien bisher festgestellt worden. Auch die Beobachtermission der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten wollte keine Unregelmäßigkeiten gesehen haben.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij fand hingegen kritischere Worte. Belarus ginge durch „schwierige Zeiten“, schrieb er auf Facebook. Er erinnerte die Führung daran, dass „Legitimität einzig und allein durch öffentliches Vertrauen“ gewonnen wird. Er mahnte Bevölkerung und Behörden zu Dialog.
Die deutsche Bundesregierung hat die Entwicklungen scharf kritisiert. „Die zahlreichen Berichte über systematische Unregelmäßigkeiten und Wahlrechtsverletzungen sind glaubhaft", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Wahlen hätten nicht den demokratischen Mindeststandards entsprochen.
Es sei bedauerlich, dass die Führung in Minsk der Forderung der
EU nicht nachgekommen sei, Beobachter der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zuzulassen. Die
deutsche Bundesregierung verurteile den Einsatz von Gewalt und die
zahlreichen Festnahmen, sagte Seibert. Die weißrussische Regierung
müsse die Rechte der Menschen im Land gewährleisten. Es werde nun im Rahmen der Europäischen Union zu besprechen sein, wie Europa nun gemeinsam reagiere. Er mahnt dabei eine einheitliche Haltung der 27 Mitgliedstaaten an. Die EU sei umso einflussreicher, umso mehr es gelinge, mit einer Stimme zu sprechen.
Tichanowskaja kündigt Pressekonferenz an
Die offiziell veröffentlichten Zahlen dürften kaum dazu beitragen, die Lage im Land zu beruhigen. Tichanowskaja will das Ergebnis nicht anerkennen. Es habe keinen Bezug zur Realität, erklärte ihre Sprecherin. Tichanowskaja sei bereit zu langfristigen Protesten.
Ihre Unterstützer hatten nachts zu Tausenden gegen Lukaschenko und Wahlfälschungen protestiert. Es gab viele Verletzte und Festnahmen. Laut Bürgerrechtlern wurde bei den Protesten ein Mensch getötet. Die Wahlbeteiligung in der zwischen dem EU-Mitglied Polen und Russland gelegenen Ex-Sowjetrepublik lag nach Angaben der Wahlleitung bei 84 Prozent der rund 6,8 Millionen Stimmberechtigten.