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Sommer wie damals? Pah!

Die Presse (Clemens Fabry)
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Wieso reden jetzt alle vom „Sommer wie damals"? Was ist denn dieses „Damals“ und ist das nicht für jeden etwas anderes? Über eine fragwürdige Formulierung.

Ständig ist derzeit vom „Sommer wie damals“ die Rede, in dem wir uns angeblich befinden. Weil wir dank Covid-19 mehr Urlaub in Österreich machen (müssen) und das Sommerwetter bis vorvorgestern wechselhafter war als in vergangenen Jahren.

Eine äußerst fragwürdige Formulierung, weil was ist denn dieses „Damals“ und ist es nicht für jeden etwas anderes? Für meine Mutter z. B. sind es die Kindheitssommer der frühen 1960er im unspektakulären Ort Hößgang im Mostviertel, über die sie allerdings trocken sagt: „Da hat's eigentlich immer geregnet.“ Mein „Damals“ sind die Sommer der frühen 1990er-Jahre. Okay, in denen war das Wetter vielleicht wirklich eine Spur launischer als etwa im Rekordhitzesommer 2018.

Doch sonst ist nichts wie damals. Heute gibt's Handys, anno dazumal stand man im Ferienlager vor dem Wertkartentelefon Schlange (Was haben wir da eigentlich ohne Smartphone gemacht?). Es gab Schilling, nicht Euro. Ace of Base, nicht Billie Eilish. Baywatch um 16.25 Uhr auf FS 1, nicht Serien und Filme auf Abruf 24/7. Portable CD-Player statt Spotify. Tamagotchi statt Tiktok. Sticker kleben statt Emojis verschicken. Und im August 1992 ging es mit meiner Familie drei Wochen durch Großbritannien. Undenkbar im August 2020!

Also bitte, Schluss, Aus, Ende mit dem Gerede vom Sommer wie damals!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2020)

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