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Österreichs Firmen bleiben beim Home-Office

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FILES-FRANCE-VIRUS-HEALTH-TELEWORKING-TELETRAVAIL-HOME OFFICE(c) APA/AFP/LOIC VENANCE (LOIC VENANCE)
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Trotz mehr Überstunden wollen Mitarbeiter weiter von zu Hause aus arbeiten. Immer mehr Unternehmen erfüllen nun diesen Wunsch.

Früher nannte man es Teleheimarbeit. Vor der Coronapandemie war es ein Privileg für wenige und galt bei Chefs als Horrorszenario. Nun wird es zum Leitmodell. Das Home-Office bleibt – auch nach Corona.
Denn Österreichs Chefs haben erkannt: Ihre Mitarbeiter sind effizienter, melden sich weniger krank und machen sogar mehr Überstunden. Anwesenheitspflicht ist unnötig geworden. Die Büros sind leer gefegt.

Im stattlichen Uniqa-Tower am Wiener Donaukanal befindet sich derzeit höchstens ein Viertel der Mitarbeiter. „Die Mannschaft im Tower wurde durch vier dividiert“, sagt ein Sprecher des Versicherers zur „Presse“. Alle vier Wochen dürfen die Mitarbeiter abwechselnd eine Woche im Büro sein. Müssen tun sie es nicht. Schon vor Corona durften sie bis zu acht Tage außerhalb des Büros arbeiten. „Nun soll das in den Kollektivverträgen weiter ausgebaut werden“, kündigt der Versicherer an. „Die Mitarbeiter haben das Home-Office sehr positiv angenommen.“

Noch 60 Prozent zu Hause

Noch konkreter wird der deutsche Versicherungskonzern Allianz. Er will weltweit das Konzept für seine rund 150.000 Mitarbeiter dauerhaft umstellen. Der Allianz-Vorstand Christof Mascher sagte dem „Handelsblatt“, dass längerfristig bis zu „40 Prozent der Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten“ werden. „Aber auch eine höhere Zahl ist möglich.“ Bei der Allianz Österreich erhebt derzeit eine Arbeitsgruppe, wie die Rahmenbedingungen dafür aussehen müssten. Während des Lockdown waren die Mitarbeiter fast zu 100 Prozent im Home-Office. „Ab Mitte Mai kamen 20 Prozent zurück ins Büro“, erzählt eine Sprecherin der „Presse“. Seit Mitte Juni seien es etwa 40 Prozent. „Es ist eine hybride Arbeitswelt.“ Schon im Juni führte der Versicherer eine Umfrage unter Mitarbeitern durch, die ergeben hat, dass sich die Mehrheit zwei bis drei Tage Home-Office dauerhaft wünscht. Das Wegfallen der Wege zur Arbeit, effizienteres Arbeiten und eine bessere Vereinbarkeit von Privatem und Beruf wurden als Gründe genannt.

Wie Covid-19 das Arbeitsleben bei der Erste Group beeinflussen werde, darauf habe er „bestimmt nicht alle Antworten “, sagte Bernhard Spalt, Chef der Erste Group. Aber er habe in den vergangenen Monaten viel darüber nachgedacht. Bisher stand die Bank an der Speerspitze des modernen Büroalltags. Feste Arbeitsplätze gab es schon vor Corona nicht mehr. Es galt freie Platzwahl innerhalb der eigenen Abteilung. Nun müssen sich die Mitarbeiter am Montag für einen Platz entscheiden, auf dem sie die ganze Woche verbringen wollen. Die Belegschaft ist in zwei Gruppen geteilt worden, die sich wöchentlich abwechseln. So wird es bis über den Herbst hinaus gehandhabt. Langfristig ist alles offen. Derzeit werde das Konzept evaluiert, sagt ein Konzernsprecher der „Presse“.
Bei Siemens haben in Österreich während des Lockdown rund 75 Prozent der Mitarbeiter von zu Hause aus gearbeitet, heißt es vom Industriekonzern zur „Presse“. Der Rest seien Arbeiter in Werken gewesen und Angestellte, deren Tätigkeit nicht von zu Hause aus erledigt werden konnte. „Neu ist bei uns, dass künftig rund 140.000 Siemens-Mitarbeiter, also mehr als die Hälfte, zwei bis drei Tage die Woche mobil arbeiten können.“ Je nach Tätigkeit und Aufgabenbereich soll flexibles Arbeiten noch mehr erleichtert werden. „Hier setzen wir hohes Vertrauen in unsere Mitarbeiter.“

Mehr Überstunden

Das Vertrauen war nicht immer da. Vor Corona befanden sich laut Eurostat 2018 zehn Prozent der Beschäftigten in Österreich im Home-Office. Im Europa-Vergleich waren das sogar relativ viele, bei unseren Nachbarn in Deutschland waren es nur fünf Prozent. Corona hat das blitzschnell geändert. Doch unglücklich sind die Österreicher darüber nicht, bestätigt eine Umfrage des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Sieben von zehn befragten Betroffenen sind demnach zufrieden mit Home-Office. Ein Drittel der Befragten geht davon aus, dass Home-Office auch in Zukunft verstärkt im Betrieb zum Einsatz kommen wird.

Die Coronavirus-Krise habe bewiesen, „dass mobiles Arbeiten in größerem Umfang nicht nur möglich, sondern auch effektiv ist“, heißt es von Siemens Österreich. Einige Chefs mögen vielleicht ihrer Belegschaft Faulheit zu Hause unterstellen. Aber das Gegenteil ist der Fall. In einem Experiment der Stanford Universität führte Heimarbeit zu einer Leistungssteigerung um 13 Prozent. Personalabteilungen berichten von massiven Überstunden. „Ich bin manchmal erheblich produktiver“, verlautete Allianz-Konzernchef Oliver Bäte erst im Juli. Vielen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehe es ähnlich. Auch Uniqa quittiert der Leistung der Mitarbeiter: „Tendenziell ist sie höher.“

Die Schattenseiten

„Viele der wahrgenommenen Vorteile von Homeoffice haben mit einer Erleichterung bei der Strukturierung des Arbeitsalltags zu tun. Weniger Pendelzeit ermöglicht mehr zeitliche Spielräume, die häufig für Arbeitszwecke genutzt werden. Und die Einteilung der Tätigkeiten und der Abläufe lässt sich besser mit den privaten Wünschen und Anforderungen vereinbaren“, sagt ZEW-Wissenschaftlerin Susanne Steffes, die das Arbeitsbedingungen in Deutschland untersucht hat.

„Diese Vorteile haben allerdings auch eine Kehrseite, denn eine stärkere Vermischung von Arbeits- und Privatleben kann auch zu Konflikten und psychischen Belastungen führen.“ So nennen 40 Prozent der Beschäftigten, die ausschließlich während der Arbeitszeit arbeiten, und 50 Prozent derjenigen, die auch oder ausschließlich außerhalb der normalen Arbeitszeit zu Hause arbeiten, die Vermischung von Privatem und Beruflichem als eine Konsequenz.

„Wir beobachten eine niedrigere Arbeitszufriedenheit bei Beschäftigten, die gerne Homeoffice machen möchten, die Möglichkeit dazu aber nicht haben und die in Betrieben arbeiten, in denen andere Homeoffice machen können. Zusätzlich schätzen diese Personen die gerechte Behandlung durch den Vorgesetzten niedriger ein“, sagt Steffes. Wenn es in einem Betrieb Beschäftigte mit und ohne Home-Office-Möglichkeiten gibt, könnten also Begehrlichkeiten geweckt werden, die für einen Teil der Belegschaft nicht zu befriedigen sind.

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