Philosophie des Sports

Warum es im Stadion die Masse macht

Intellektuelle zeigen der Masse in jedem Diskurs-Match die rote Karte. Nun tritt der gelehrte Fußballfan Hans Ulrich Gumbrecht im Essay „Crowds“ zur Revanche an.

Der Ball rollt wieder, aber die Stadien bleiben leer. Über den Rasen hallen nur, bislang nie vernommen, die banalen, derben Sprüche der Spieler, die kaum anders klingen als am Kickplatz im Dorf. Sie gehen nicht mehr auf im vielstimmigen Chor auf den Rängen, im Anfeuern, Singen, Pfeifen, Klatschen und Trommeln der Fans. Weltweit sind Sportereignisse mit starker Zuschauerpräsenz wegen Corona verboten, wie auch Rockkonzerte oder Papstmessen.

Na bitte, es geht ja auch ohne, frohlocken ihre Verächter. Die aggressive Energie der geballten Masse hat zarte Gemüter immer befremdet, ja abgestoßen. Enthemmte, schwitzende, brüllende Horden machen ihnen Angst, durch sporadische Gewaltausbrüche fühlen sie sich bestätigt. Und haben nicht politische Massenbewegungen, angeführt von hypnotisierenden Rattenfängern, stets nur Unglück gebracht? Schon mehren sich Stimmen, man solle die Drehkreuze am Eingang auf Dauer blockieren. Isoliert vor dem Fernseher zuhause könnten Fans kein Unheil anrichten. Wenn es ihnen wirklich um den Sport geht, müsse das reichen. Und an leere Stadien würden wir uns ebenso gewöhnen wie an leere Kathedralen.

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