Covid-19

Russischer Corona-Impfstoff: Interesse aus angeblich 20 Ländern

Spritzen mit einem Impfserum.
Spritzen mit einem Impfserum.(c) imago images/Future Image (Christoph Hardt via www.imago-images.de)
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Nach russischen Angaben haben 20 Länder Interesse am Serum „Sputnik V“. Dass beim weltweit ersten zugelassenen Impfstoff die dritte Testphase aussteht, bringt Experten in Rage. Es sei ein „hochriskantes Experiment“.

Erste Länder haben bereits Interesse an Russlands Corona-Impfstoff "Sputnik V" bekundet - dem ersten zugelassenen weltweit. Der brasilianische Staat Paraná kündigte an, ein Abkommen mit Russland zu schließen, um den Impfstoff selbst zu produzieren.

Der Vertrag dazu solle an diesem Mittwoch unterschrieben werden, sagte Jorge Callado, Präsident des federführenden Technologie-Instituts Tecpar in Curitiba, im brasilianischen Fernsehen. Die Impfung soll voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 verfügbar sein.

Der Chef des russischen Investmentfonds, Kirill Dmitrijew, sagte: "Wir sind offen für eine internationale Zusammenarbeit." Nach seinen Angaben haben mehrere Länder Interesse bekundet, den Impfstoff selbst zu produzieren. Er nannte außer Brasilien die Philippinen und die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit diesen Ländern arbeite Russland zusammen, sagte er russischen Medien zufolge. Nach russischen Angaben haben schon mehr als 20 Länder Interesse angemeldet.

Interesse an Testphase

Es gebe darüber hinaus auch Interesse aus dem Ausland, an der dritten und damit entscheidenden Testphase für eine mögliche Zulassung teilzunehmen. Genaue Angaben machte Dmitrijew zunächst nicht. Die neue Testphase sollte mit der Zulassung des Impfstoffes beginnen. Russland habe bereits international Anfragen über eineMilliarde Dosen erhalten. Der vom Kreml gegründete Fonds finanziert die Produktion und Entwicklung des Impfstoffs.

Auch Israel teilte mit, grundsätzlich an "Sputnik V" interessiert zu sein. Es gebe bereits Beratungen über den neuen Impfstoff, hatte der israelische Gesundheitsminister Juli Edelstein am Dienstag gesagt.

Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin die Zulassung des Impfstoffs zur breiten Verwendung in der Bevölkerung bekanntgegeben. Sie erfolgte damit vor dem Vorliegen der Ergebnisse großer klinischer Studien - ein Vorgehen, das dem international üblichen Ablauf widerspricht. Weder die Wirksamkeit noch die Nebenwirkungen lassen sich derzeit fundiert beurteilen.

WHO reagiert zurückhaltend

Die Weltgesundheitsorganisation WHO reagierte zurückhaltend. Die WHO sei sich bewusst, dass Russland ein Vakzin registriert habe, und begrüße alle Fortschritte bei der Forschung und Entwicklung zu Covid-19-Impfstoffen, teilte das WHO-Regionalbüro Europa auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Zugleich wies das Büro darauf hin, dass die beschleunigte Impfstoffforschung in jedem Entwicklungsschritt gemäß bewährter Prozesse vonstattengehen sollte.

Der Impfstoff wurde vom staatlichen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Erst wenige Menschen haben ihn im Rahmen einer Studie erhalten.

Der Chef des russischen Investmentfonds hatte erklärt, die Phase-III-Studie solle nun beginnen.

Experten verblüfft bis fassungslos

Die österreichische Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt (MedUni Wien) erklärte gegenüber der APA: "Zulassung nach einer Phase-II? Das ist offenbar wirklich nur in Russland möglich. Zum Glück und richtigerweise undenkbar ohne Phase-III für unsere Breiten!" Wissenschaftlich sei zu der russischen Vakzine bisher nichts publiziert worden. Details fehlten, um das Projekt beurteilen zu können.

Der Präsident der deutschen Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, erklärte, es sei ein "hochriskantes Experiment am Menschen", wenn ein Impfstoff wie der in Russland ohne entscheidende dritte Testphase zugelassen werde. "Es ist unverantwortlich, ganze Bevölkerungsgruppen bereits in diesem Stadium der Entwicklung zu impfen", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch).

Auch renommierte Mediziner in den USA warnen: "Aktuell würde ich mir den (Impfstoff; Anm.) nicht verabreichen lassen. Ganz sicher nicht außerhalb einer klinischen Versuchsreihe", sagte Scott Gottlieb, der frühere Chef der US-Behörde für Lebensmittel undArzneimittel-Sicherheit (FDA), am Dienstag im US-Fernsehen.

Kritik laut Gesundheitsminister „unbegründet"

Russland hat die Vorbehalte aus dem Ausland zurückgewiesen. "Ausländische Kollegen versuchen offenbar, irgendeine Meinung zu äußern, die nach unserer Ansicht absolut unbegründet ist", sagte Gesundheitsminister Michail Muraschko am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge.

Nach Muraschkos Angaben wird die erste Charge des neuen Impfstoffes innerhalb der nächsten zwei Wochen erwartet. "Heute läuft eine Qualitätskontrolle." Die Produktion in Russland sei in erster Linie zur Impfung der eigenen Bevölkerung ausgerichtet. Russland werde aber dem Ausland anbieten, selbst den russischen Impfstoff zu produzieren.

Russland will parallel zur dritten Testphase bereits medizinisches Personal und Lehrer impfen lassen. "Die Impfung wird freiwillig sein", sagte Muraschko. Empfohlen werde sie für Menschen mit Vorerkrankungen.

Laut einer Liste der Weltgesundheitsorganisation vom Montag werden derzeit sechs andere Impfstoff-Kandidaten in einer Phase-III-Studie getestet. Nur ein gut wirksamer Impfstoff kann Experten zufolge eine rasche deutliche Wende in der Corona-Pandemie bringen, ohne dass strenge Lockdown-Regeln nötig sind.

(Apa/red.)

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