Buchpräsentation

Überwachungs­gesamt­rechnung: Wieviel der Staat wirklich darf

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Wie gläsern ist der Österreicher? Antwort soll das „Handbuch Überwachung“ liefern, das am Donnerstag vom Verein Epicenter Works vorgestellt wurde.

„Für die Beurteilung, wann in einer Gesellschaft das Maß der Überwachung über die Schwelle des Ertragbaren getreten ist, müssen die Überwachungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit und in ihren Kombinationen betrachtet werden“, steht im Vorwort des kürzlich vorgestellten Handbuchs zur Überwachung in Österreich. Herausgeber dieses 200 Seiten umfassenden Werks ist der Verein Epicenter Works. Ziel dieses Buchs ist eine Gesamtschau aller Überwachungsmethoden, einer "Überwachungsgesamtrechnung“. 

Dabei wird nicht nur jede einzelne Maßnahme beleuchtet, sondern auch in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext gestellt.  Auf über 200 Seiten wird Juristen, Journalisten, Entscheidungsträgern in den Ministerien und allen Interessierten ein Zugang zu Polizei- und Überwachungsbefugnissen ermöglicht, erklärt Juristin Angelika Adensamer. Im Großen und Ganzen sei die Debatte "sehr komplex", gleichzeitig betreffe sie aber alle. Selbst für Juristen stelle es eine Herausforderung dar, über alle staatlichen Befugnisse einen Überblick zu bekommen, räumte Adensamer ein. Nicht nur dass es viele verschiedene Gesetzesmaterien gebe, würden auch Datenbanken mit sensiblen Informationen über den Einzelnen an verschiedenen Stellen liegen.

Ausmaß der Überwachung

Auch habe sich das Ausmaß der Überwachung allein dadurch geändert, dass sich die Technologie weiter entwickelt habe. Daher müssten Befugnisse ständig neu evaluiert werden, verlangte die Juristin. Als Beispiel dafür führte sie die Gesichtserkennung an, die auf der Videoüberwachung gründet.

Insgesamt könnten heute viel mehr Daten in einer höheren Geschwindigkeit verarbeitet werden, wodurch sich neue Möglichkeiten ergeben, so Adensamer. Eine Einschätzung wie weitreichend Maßnahmen sind, sei daher oftmals erst aus einer Überwachungsgesamtrechnung abzulesen.

Diese setzte sich etwa mit Fragen, was überhaupt in einem Land erlaubt ist, was die technischen Möglichkeiten sind, ob diese mit der rechtlichen Lage übereinstimmen, wie oft Maßnahmen eingesetzt werden und wie effektiv sie sind, auseinander, erklärte Thomas Lohninger von epicenter.works. Eine Überwachungsgesamtrechnung evaluiere die Maßnahmen auf ihre Grundrechtstauglichkeit und Effektivität hin. Zudem sei auch die soziologische Perspektive wichtig, also die Frage, was diese aus einer Gesellschaft machen.

Abschaffung der Videoüberwachung und SIM-Kartenregistrierung

Lohninger lobte das Handbuch als "perfekte Basis" für die geforderte Gesamtrechnung, betonte aber, dass dieser Prozess wissenschaftlich begleitet werden müsse. Diesbezüglich nahm er Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) in die Pflicht. Lohninger gab sich aber hoffnungsvoll, schließlich hätte Türkis-Grün die umfassende Evaluierung gesetzlicher Regelungen von Ermittlungsmaßnahmen und bestehender Überwachungssysteme in das Regierungsprogramm geschrieben - und zwar unter Einbindung der Zivilgesellschaft und unabhängiger Experten, so Lohninger. Im Moment dürfte es aber an der Einigung zwischen den Koalitionspartnern haken.

Als "Fixstarter" für Überwachungsmaßnahmen, die dringend evaluiert und rückgebaut werden sollten, nannte Lohninger unter anderem die Video-Überwachung, die Anwendung von Gesichtserkennung, die ohne Rechtsgrundlage passiere, die Simkarten-Registrierung oder das Aufweichung des Briefgeheimnisses sowie die Fluggastdatenrichtlinie der EU. Durch eine Überwachungsgesamtrechnung könnte man aber auf "viel mehr draufkommen".

>>> Zum Handbuch Überwachung

(bagre/APA)

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