Konzertkritik

Aus dem Lockdown: Die Klage eines Horns

Salzburger Festspiele: Das Klangforum Wien begeisterte im Finale der Konzertreihe „Fragmente – Stille“ mit der geräuschhaft-sinnlichen Musik Salvatore Sciarrinos.

Bocksgesang hätte man es nennen können, was da irgendwo vom Orgelbalkon herab tönte. Ungreifbar, diffus und doch präsent breiteten sich die Klänge des Solohorns in der wattigen Akustik der Kollegienkirche aus. Bocksgesang oder Gesang um den Bockspreis, so lautet der ursprüngliche Wortsinn des griechischen „tragodía“: Der Bock, das war Dionysos, zu dessen Ehren die Spiele veranstaltet wurden. Wirklich, nach Furcht und Mitleid, Jammern und Schaudern klangen die mäandernden, vielfach durchbrochenen Linien, die immer wieder wackelig ansetzten, wie durchbrochen mit Schluchzern und Schluckauf. Knappe, beinah zärtliche Floskeln kräuselten sich auf engem Tonraum, um dann plötzlich wieder große Intervalle zu durchgleiten – oder auf langen Liegetönen stark anzuschwellen; Motivpartikel, die sich in einem dynamischen Mosaik immer wieder neu zu gruppieren schienen.

Aufgeregt, aber doch gesanglich: „Agitato cantabile“ ist ein Oxymoron, ein in sich widersprüchliches Sprachbild, das der Komponist Salvatore Sciarrino als Titel für dieses neue Stück gewählt hat, geschrieben während des Corona-Lockdowns für das Klangforums-Mitglied Christoph Walder. Dieses „Capriccio sulla lontananza“, so der Untertitel, war die jüngste der – bisher zugegeben raren – musikalischen Uraufführungen in der Ära Markus Hinterhäusers, der die Aufgabe der Festspiele eher darin sieht, die schon vorhandenen großen Werke des 20. und 21. Jahrhunderts im Repertoire zu etablieren.

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